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von OldBear » Do 27. Okt 2022, 08:40
Deshalb geht Ex-SCB-Star Eric Blum gegen Herzog vor: «Was ich erlebt habe, soll kein anderer erleben»
Deshalb geht Ex-SCB-Star Eric Blum gegen Herzog vor«Was ich erlebt habe, soll kein anderer erleben»
Seit sechs Wochen wird wieder Eishockey gespielt. Doch einer fehlt noch immer: Eric Blum. Er hat nach dem Horror-Check von EVZ-Stürmer Fabrice Herzog rechtliche Schritte eingeleitet.
Angelo Rocchinotti
Publiziert heute um 09:10 Uhr
Der dreifache Berner Meister Eric Blum hat nach einem rüden Check seit 20 Monaten keinen Ernstkampf mehr bestreiten können. Die Zukunft des 36-Jährigen bleibt ungewiss.
Der dreifache Berner Meister Eric Blum hat nach einem rüden Check seit 20 Monaten keinen Ernstkampf mehr bestreiten können. Die Zukunft des 36-Jährigen bleibt ungewiss.
Foto: Urs Jaudas
Es ist ein trüber Herbstmorgen in Zürich-Wiedikon. Heftiger Regen prasselt vom Himmel. Nur wenige Leute kommen am Schaufenster an der Zurlindenstrasse 57 vorbei. Eric Blum und Luca Meyer sitzen in ihrem Showroom. Blum fertigt gerade einen neuen Filzhut an. Sein Schwager brütet über Schnittmustern. Onkai Heiwa heisst ihr Label. Eine Hommage an Blums Grossvater. Er wurde stolze 103 Jahre alt.
«Auch er trug oft Hüte», sagt der schweizerisch-japanische Doppelbürger, der sich gerne auf Flohmärkten und in Brockenhäusern herumtreibt, eines Tages Borsalinos zu kaufen und sie schliesslich zu bearbeiten beginnt. Das Handwerk fasziniert ihn. Doch Blum findet keine Lehrgänge. Also kontaktiert er kurzerhand eine Modistin in Aarau und bittet sie um Unterstützung. Gegen Entgelt, versteht sich.
Eine Saison lang pendelt er wöchentlich in den Kanton Aargau. Selbst während des Playoff. Es ist seine punktemässig stärkste Spielzeit beim SCB. Und endet mit dem Meistertitel. Sechs Jahre ist das her. Seither hat sich Blum aus aller Welt mit antiken Hutmacher-Werkzeugen eingedeckt und unzählige Hüte kreiert. Heute sagt er stolz: «Unsere Produkte sind handgemacht und aus den besten verfügbaren Materialien hergestellt.» Doch bei aller Begeisterung, für sein Start-up hat der 36-Jährige mehr Zeit, als ihm lieb ist.
«Am liebsten würde ich jetzt in einer Garderobe sitzen und über Eishockey reden», sinniert der Verteidiger. Doch an Spitzensport ist weiterhin nicht zu denken, nachdem er von Fabrice Herzog übel gegen den Kopf gecheckt wurde. Seit nunmehr 20 Monaten hat Blum keinen Ernstkampf mehr bestreiten können. Sein Vertrag beim SCB ist am Ende der letzten Saison ausgelaufen und die Trikotnummer 58 bereits neu vergeben worden. Nun trägt sie Romain Loeffel.
Blum kann die Frage nach seiner Zukunft nur schwer beantworten. Er greift zur bildlichen Sprache, sagt: «Die Realität ist, dass der Zug aus dem Bahnhof rollt und bereits ein ziemlich hohes Tempo aufgenommen hat. Es wird immer schwieriger, ihn noch zu erreichen.» Wann er das letzte Mal auf dem Eis stand? Blum kann sich kaum noch erinnern. «Es dürfte im April gewesen sein», mutmasst er.
Keine weiteren Fortschritte mehr
SCB-Präsident Marc Lüthi bot seinem Meisterschützen von 2019 in sämtlichen Bereichen Unterstützung an. So hätte Blum weiterhin die Infrastruktur nutzen und in der Postfinance-Arena ein und aus gehen können. Doch der 89-fache Internationale und Silbermedaillengewinner der WM von 2013 hielt sich nicht dafür. Die Begründung? «Die Energie in einer Mannschaft ist nach schwierigen Jahren nicht dieselbe wie nach einem Meistertitel, wenn alle etwas lockerer sind. Ich wäre ein Sonderfall und für den Club nicht von Nutzen gewesen. Ich fühlte mich nicht in der Position, um Ansprüche zu stellen.»
Aus diesem Grund verzichtete Blum auch darauf, bei Swiss-League-Clubs vorstellig zu werden. Denn: «Dort wird ebenso professionell gearbeitet. Ich hatte stets grossen Respekt vor Spielern, die in der zweithöchsten Liga denselben Aufwand betreiben und nebenbei noch einer gewöhnlichen Arbeit nachgehen.»
Im auf Hirnerschütterungen spezialisierten Concussion Center in Zürich liess sich der 36-Jährige letztmals im August therapieren. «Ich habe keine Fortschritte mehr erzielt», sagt er nüchtern. Nun hält er sich mit Yoga und Padel-Tennis, einer Mischung aus Tennis und Squash, fit. «Eine 360-Grad-Sportart mit vielen koordinativen und konditionellen Reizen. Das ist auch aus therapeutischer Sicht interessant», weiss Blum.
Doch sobald sein Hirn zu vielen Reizen ausgesetzt ist und er die Belastungsgrenze überschreitet, kehren die Symptome zurück. Wo die Grenze genau liegt, weiss er nicht. Im Alltag erreicht er sie selten. Doch bereits eine halbe Stunde Padel-Tennis setzt ihm zu. «Ich spüre Schwindel, nehme meine Umgebung nicht mehr fliessend wahr und sehe alles verzögert. Ob das jemals wieder besser wird, ich weiss es nicht.»
Im Februar 2021 streckt Fabrice Herzog (damals noch beim HCD) Eric Blum mit einem wüsten Check gegen den Kopf nieder. Er wird danach für 8 Partien gesperrt und mit 11’150 Franken gebüsst.
Im Februar 2021 streckt Fabrice Herzog (damals noch beim HCD) Eric Blum mit einem wüsten Check gegen den Kopf nieder. Er wird danach für 8 Partien gesperrt und mit 11’150 Franken gebüsst.
Foto: Peter Klaunzer (Keystone)
Blum kontaktierte Nati-Coach Fischer
Nicht abgeschlossen ist für Blum der Fall Herzog. Der Verteidiger hat juristische Schritte gegen den heutigen EVZ-Stürmer eingeleitet, der in seiner Karriere bereits 33 Spielsperren verbüsst hat. Blum sagt: «Eishockey ist ein fantastischer und harter Sport. Es braucht Checks. Doch was mir und anderen Spielern widerfahren ist, gehört nicht zu diesem Sport. Es ist nicht okay, so Eishockey zu spielen. Es ist einfach nicht okay.»
Blum betont, sein Ansporn sei nicht finanzieller Natur. Er wolle weder Mitleid, noch gehe es um Aktionen, die in einem Graubereich liegen. «Wenn mich ein im Grunde fairer Spieler hart, aber korrekt checkt und es mich durch Zufall oder durch die Dynamik des Sports erwischt, ist das ein Unfall. Unfälle passieren», so Blum. «Wenn ich aber der siebte Fall bin, wenn vier Spieler vor mir gegen den Kopf- oder Nackenbereich gecheckt wurden, wenn nach mir Mauro Dufner gegen den Nacken gecheckt und an der WM ein weiterer Spieler umgefahren wird, dann zeigt dies, dass dieser Typ Spieler gefährlich ist und ein Risiko darstellt.»
«Wenn solche Spieler wissen, dass sie auch ausserhalb des Sports belangt werden können, ändern sie vielleicht ihr Verhalten.»
Ex-SCB-Verteidiger Eric Blum
Der Zürcher will ein Zeichen setzen. «Wenn solche Spieler wissen, dass sie auch ausserhalb des Sports belangt werden können, ändern sie vielleicht ihr Verhalten. Was ich erlebt habe, soll kein anderer erleben.» Es bedürfe einer höheren Sensibilität. Noch immer würden die Folgen von Hirnerschütterungen unterschätzt. «Wenn dir deine Frau sagt, sie habe dich seit zwei Wochen nicht mehr lachen sehen oder sie dürfe sich keine Fehler leisten, weil du stets gereizt reagierest, dann merkst du, dass hier eine Veränderung deiner Persönlichkeit stattfindet. Und das aufgrund dieser Verletzung.»
Blum nahm auch Kontakt mit Nationalcoach Patrick Fischer auf. «Herzog ist unbestritten ein grossartiger Spieler und kann ein Mehrwert sein. Doch dass ein solcher Spieler, der eigentlich eine Vorbildrolle einnehmen sollte, bei den Olympischen Spielen und an Weltmeisterschaften teilnehmen kann, ist für mich schwer nachvollziehbar. Ich bin der Meinung, der Verband setzt mit seiner Nomination ein falsches Signal.» Es zeige, dass einzig die Qualität zähle. Ob sich ein Spieler unter Kontrolle habe oder nicht, sei zweitrangig. «Wenn das die Message ist, welche Mutter schickt dann ihr Kind noch zum Eishockey, wenn sie weiss, dass ihr Sohn Verletzungen erleiden kann, die ihn ein Leben lang beeinträchtigen könnten?»
Noch wird versucht, eine aussergerichtliche Einigung zu erzielen. Ein von beiden Parteien anerkannter und unabhängiger Experte soll ein Urteil fällen, das beide Seiten zu akzeptieren gedenken. Doch bereits die Suche nach dem Experten gestaltet sich schwierig.
Blum verfolgt Hockey nur noch am Rande
Blum wirkt nachdenklich. «Ich schaute zu meinem Körper, zeigte noch gutes Eishockey, hätte locker noch zwei Jahre spielen und gutes Geld verdienen können. Mir wurde sehr viel genommen», so der dreifache Berner Meister. Er trat schon früh mit einem Psychologen in Kontakt, vertraut noch immer auf seine Dienste. Heute sagt der Vater eines zweijährigen Sohnes: «Es geht mir super. Ich kann für meine Familie da sein. Das macht mich glücklich.»
Die Meisterschaft verfolgt er nur noch am Rande. Einen Fernseher besitzt Blum seit je nicht. Auch verfügt er über kein Abo für Livesport. Die Spielzusammenfassungen auf den Onlineportalen sprechen ihn nicht an. «Wenn Sie mich fragen, wer an der Tabellenspitze liegt, habe ich vielleicht eine Chance von 1 zu 8, den Richtigen zu treffen. Ich habe vom grossartigen Solo von Andres Ambühl gelesen und werde mir das noch anschauen. Er ist eine faszinierende Persönlichkeit, und es ist wunderschön, dass Büeli noch solche Storys schreiben kann.»
Mit aktiven ehemaligen Teamkollegen hat Blum kaum Kontakt. Einzig mit Vincent Praplan tauscht er sich regelmässig aus. Vieles deutet darauf hin, dass der einstige Kreativverteidiger, der den SCB auch imagemässig wieder aufgepeppt hat, nie mehr aufs Eis zurückkehren wird. Ob er zurücktreten wird, ist offen. «Sich noch einmal abfeiern lassen? Ich weiss nicht, ob ich dieses Tamtam brauche.»
Blum, der über einen Maturaabschluss verfügt, will im nächsten Herbst eine Ausbildung beginnen. In welchem Bereich, weiss er noch nicht. Er begann einst mit einem Maschinenbaustudium, musste dieses aus zeitlichen Gründen aber wieder abbrechen. Nun haben diverse Personen ihr Interesse deponiert. Blum solle sie kontaktieren, sobald definitiv Schluss sei mit Eishockey. Doch Blum will nichts überstürzen, sich erst ein solides Fundament schaffen und in der Aussenwelt ankommen, wie er es formuliert.
«Ich bin 36 und werde länger arbeiten, als ich Eishockey gespielt habe. Ich will keinen Job annehmen, nur weil ich Eric Blum heisse und man mich für einen kreativen Typen mit Sinn für Ästhetik hält. Liefere ich nicht, ist der Name schnell verblasst. Ich will einer Arbeit nachgehen, die ich mir während zwanzig bis dreissig Jahren vorstellen kann.»
Blum legt seinen Fokus wieder auf seinen Filzhut, formt Krone und Krempe. «Natürliche Materialien reagieren auf Feuchtigkeit und Hitze. Man wird nie die perfekte Symmetrie finden, auch wenn das unser Anspruch ist», erklärt Blum. Draussen regnet es noch immer.
Hüte sind sein Markenzeichen. Mit Onkai Heiwa hat Blum sein eigenes Label gegründet. Nun will er nächsten Herbst eine Ausbildung beginnen.
Hüte sind sein Markenzeichen. Mit Onkai Heiwa hat Blum sein eigenes Label gegründet. Nun will er nächsten Herbst eine Ausbildung beginnen.