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von Assist » Di 30. Aug 2022, 08:39
Lüthi, BZ:
Der SCB im Umbruch
«Ich muss lernen, den Mund zu halten»
Vieles ist neu beim SCB: CEO Marc Lüthi übergibt an Raeto Raffainer. 13 neue Spieler sollen Bern auf direktem Weg ins Playoff führen. Und künftig will der SCB ein Frauenteam.
Angelo Rocchinotti
Publiziert am 29. August 2022 um 19:46 Uhr
«Diese Saison werde ich mich wieder ärgern», sagt der künftige SCB-Präsident Marc Lüthi – und das meint er positiv.
Foto: Peter Klaunzer (Keystone)
Historisch. Der scheidende Präsident Beat Brechbühl bringt es in einem Wort auf den Punkt. Ein Vierteljahrhundert lang prägte Marc Lüthi den SCB. Nun präsentiert er ein letztes Mal als CEO die Bilanzzahlen, ehe er am Donnerstag das Zepter an Raeto Raffainer übergeben und künftig als Präsident fungieren wird.
Lüthi gibt sich gut gelaunt. «Mir geht es perfekt», sagt der 61-Jährige. Keine Selbstverständlichkeit. Anfang Jahr musste er sich nach einer Hirnblutung zwei Operationen unterziehen. «Ich hatte Angstzustände, hatte Mühe mit dem Einschlafen, weil ich nicht wusste, ob ich wieder aufwachen werde», sagte er nach seiner Rückkehr. Nun spielt er den Eingriff herunter. «Es ist wie bei einem defekten Gartenschlauch. Rinnt er, repariert man ihn. Glücklicherweise habe ich mir keine Schäden zugezogen.»
Trotz Minus das Budget erhöht
20 Jahre schrieb Bern unter dem umtriebigen Manager schwarze Zahlen. Lüthis Credo: Es wird nicht mehr ausgegeben als eingenommen. Bis zur Pandemie. Nun schliesst der SCB zum dritten Mal in Folge ein Geschäftsjahr mit einem Verlust ab. 213’000 Franken beträgt das Minus. Dass es nicht höher ausfällt, ist der Härtefallhilfe, dem strengen Kostenmanagement und der Unterstützung der Fans zu verdanken. Mit Blick auf die Zukunft sagt Lüthi: «Wir sind gesund, werden aber noch einmal rote Zahlen schreiben. Wir tun dies bewusst, weil wir jetzt in die Mannschaft investieren.»
Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass sie die Pandemie nicht weiter beschäftigen wird, und haben das Budget um eine halbe Million Franken erhöht. Das Team wurde verjüngt, soll weniger verletzungsanfällig sein und über mehr Leadership verfügen. 15 Abgängen stehen 13 Zuzüge gegenüber. Unter ihnen Nordamerika-Rückkehrer Sven Bärtschi, Joël Vermin und Romain Loeffel. Erstmals trägt das Team die Handschrift des neuen Sportchefs Andrew Ebbett.
«Wir wollen wieder angreifen», sagt der designierte SCB-CEO Raeto Raffainer.
Foto: Peter Klaunzer (Keystone)
«Wir wollen und dürfen uns kein weiteres schlechtes Jahr mehr leisten», sagt Noch-Sportdirektor Raffainer. «Wir wollen wieder angreifen. Das unternehmerische Risiko nehmen wir in Kauf.» Die Zielsetzung ist ambitiös. Die direkte Playoff-Qualifikation wird angestrebt. «Diesen Ruf und diese Erwartungshaltung haben wir uns erarbeitet», betont Raffainer, warnt aber zugleich: «Es werden wohl elf Teams um die insgesamt acht Playoff-Plätze kämpfen. Deshalb werde ich auch nicht unglücklich sein, sollten wir uns über das Pre-Playoff qualifizieren.» Während Raffainer spricht, gibt Lüthi, der Mittelmass nicht ausstehen kann, einen tiefen Seufzer von sich.
«Wir wollen das Fraueneishockey fördern»
Eine grosse Rolle soll künftig das Fraueneishockey einnehmen. Der SCB plant, per 1. Mai 2023 eine Equipe im Leistungssport zu integrieren, steht seit Monaten mit Bomo Thun in Kontakt. Warum Thun? «Es gibt im Kanton rund 250 Spielerinnen und neun Teams auf unterschiedlichen Stufen. Viele nehmen den Weg von Bern nach Thun auf sich, finden dort erschwerte Trainingsbedingungen vor, verfügen über keine eigene Garderobe und müssen nachts mit der Ausrüstung auf den Schultern in den Zug zurück nach Bern steigen. Sie können sich nicht weiterentwickeln.»
Raffainer besprach sich zunächst mit Daniela Diaz, der ehemaligen Nationalteam-Direktorin. «Schliesslich wollen wir das Fraueneishockey fördern und ihm nicht schaden. In Thun wurden wir mit offenen Armen empfangen.» Wie das Team heissen wird, ist offen. Raffainer sagt aber: «Die Marke SCB ist stark und steht für Tradition. Es geht sicher in die Richtung, dass wir künftig ein SCB-Frauenteam haben werden.»
«Ich reduziere von 150 auf 120 Prozent.»
Noch-CEO Marc Lüthi
Dem neuen CEO wird es nicht an Arbeit mangeln. «Oft werde ich gefragt, ob sich Lüthi als Präsident überhaupt zurücknehmen kann? Doch das will ich gar nicht. Ich habe nur unter der Bedingung zugesagt, dass er bleibt. Auch wenn er öfter auf dem Golfplatz anzutreffen sein wird als in der Vergangenheit.»
Lüthi sagt: «Ich reduziere von 150 auf 120 Prozent, will im strategischen Bereich noch einiges ändern. Doch ich muss auch lernen, den Mund zu halten.» Dass er sich weiterhin die Spiele in der Postfinance-Arena anschauen wird, versteht sich von selbst. «Letzte Saison ertappte ich mich, dass ich mich nicht mehr aufgeregt habe, weil ich nicht mehr an die Mannschaft geglaubt habe. Das kotzte mich an. Diese Saison werde ich mich wieder ärgern. Das spürte ich schon während der Vorbereitung.»
Sagts und lacht sogleich. Schliesslich gab der SCB bisher keinen Anlass zu Ärger, hat er doch alle seine bisherigen sechs Testspiele gewonnen.