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von McLlwain71 » Mi 18. Mär 2020, 20:52
Andrew Ebbett (37) war beim SC Bern Leistungsträger, Eckpfeiler dreier Meisterteams und «Mr. Playoff». Nun endet seine Zeit in Bern abrupt. Die Karriere möchte der Kanadier in der Schweiz fortsetzen.
Reto Kirchhofer
Ruhm verblasst schnell. Im Sport erst recht. Andrew Ebbett gewann mit dem SC Bern drei Meisterschaften. Er prägte und führte die Mannschaft vier Jahre lang als Assistenzcaptain. Doch nach fünf Saisons entscheidet ein anderer Wert, beschliesst die Differenz von mickrigen vier Punkten Ebbetts Zeit als Spieler in Bern.
Im Vertrag des Angreifers existierte eine Klausel, wonach der Club den Kontrakt auflösen kann, sollte Ebbett in der Saison 2019/2020 die Vorgabe von 0.75 Punkten pro Spiel im Schnitt nicht erreichen. Er beschloss die Qualifikation mit 32 Zählern aus 48 Partien. 36 wären erforderlich gewesen.
Am Dienstagnachmittag informierte ihn Sportchef Alex Chatelain über die Vertragsauflösung. Am Mittwochvormittag sitzt Ebbett in seiner Wohnung in Ittigen und sagt: «Beim SCB erlebte ich die beste Zeit meiner Karriere. Bern ist meine zweite Heimat. Ich bin enttäuscht, trennen sich die Wege auf diese Weise. Dieser Stachel sitzt, er schmerzt.»
Die Krux mit der Klausel
Im Januar 2019 unterschrieben Club und Spieler einen Vertrag, den sie im Nachhinein nicht mehr in dieser Form aushandeln würden. Der SCB wollte den Leistungsträger für ein weiteres Jahr an sich binden. Ebbett wünschte sich eine Verlängerung um zwei Saisons ohne Salärreduktion für das zweite Jahr. Sein Agent brachte die Idee der Punkteklausel ein. «Übers Ganze gesehen war das für den Club gut, weil wir so die Möglichkeit hatten auszusteigen», sagt Sportchef Alex Chatelain. «Aber rückblickend war das keine ideale Lösung.»
Ebbett stellt nicht in Abrede, dass ihn die Vorgabe phasenweise beeinflusst hat. «Ich bin keiner, der auf Punkte fokussiert, besitze andere Attribute, die ich ins Team bringe. Entsprechend war es frustrierend, jede Woche aufs Statistikblatt schauen zu müssen. Dem Team lief es schlecht, und diese Klausel verursachte bei mir zusätzlichen mentalen Stress.»
Nach Abbruch der Saison wollte Ebbett mit dem Sportchef einen neuen Kontrakt aushandeln: für ein weiteres Jahr mit weniger Lohn. «Vor ein paar Monaten sagte ich zu mir: Erreiche ich die Vorgabe nicht, habe ich den Verbleib mit diesem Salär nicht verdient. Deshalb suchte ich eine andere Lösung. Doch der SCB entschied sich für einen anderen Weg. Das akzeptiere ich.»
Der Bessermacher von Bern
Und so reiht sich Ebbett ein in die Liste von Spielern, die für den SCB Grosses geleistet haben, deren Abgang aber keinem Happy End gleichkommt. Ivo Rüthemann beispielsweise wurde innert kurzer Zeit vom unverzichtbaren Toplinienspieler zum zuweilen überzähligen Stürmer unter Guy Boucher. Bern verlängerte den Vertrag nicht, Rüthemanns Karriere endete 2014 in der Trostlosigkeit der Platzierungsrunde. Martin Plüss konnte sich mit den Verantwortlichen nicht auf eine Verlängerung einigen. Er trat im Spätherbst 2017 sechs Monate nach dem Titelgewinn zurück und sagte: «Die perfekte Lösung gibt es selten.»
Ebbett kam in 253 Partien auf 211 Punkte. 2018 wurde er zum wertvollsten Spieler der Qualifikation gewählt. Doch für gewöhnlich avancierte der kluge Zwei-Weg-Center im Playoff zum dominanten Spieler, buchte dort über einen Punkt pro Spiel (60 in 59 Begegnungen). Mysports-Experte Ueli Schwarz hat einmal gesagt: «Ebbett ist einfach ein unglaublich guter Hockeyspieler. Es ist nicht allzu entscheidend, wer neben ihm aufgestellt wird. Er macht seine Mitspieler besser.» Der frühere Meistergoalie Marco Bührer sagte: «Ebbett vereint alles: Leadership, Teamgedanke, Seriosität, Klasse. Er ist brutal wichtig für die Mannschaft.»
Ebbett, den einige «Papa» nannten, half neuen Spielern jeweils bei der Akklimatisierung. Und nach Auswärtspartien übernachteten Gaëtan Haas und Marc Kämpf jeweils beim Kanadier, weil sie nicht in unmittelbarer Nähe von Bern wohnten. Dann gab es meistens Pizza aus dem Tiefkühler, ein Glas Wein und NHL im TV.
National League oder Rücktritt
Wie das Gros der Mitspieler kam Ebbett in der abgelaufenen Saison nie auf Touren. Sportchef Chatelain sagt, Ebbett sei ein Typ, den der SCB gerne in der Organisation behalten hätte. Es gab Gespräche und Optionen. Doch der Kanadier ist noch nicht bereit, sein ruhmreiches Kapitel als Eishockeyprofi zu schliessen. In seiner ersten NHL-Saison führte er einst in Anaheim niemanden Geringeres als die Flügel Teemu Selänne und Bobby Ryan als Center. «Ich sagte immer, ich wolle bis 35 spielen. Und ich hätte meine Karriere gerne in Bern beendet. Nun bin ich 37, aber ich fühle mich gut und möchte noch mindestens ein Jahr lang spielen.»
Ebbetts Wunsch ist es, in der National League einen Arbeitgeber zu finden. Auch deshalb bleibt er vorerst in der Schweiz. Sein Wohnsitz in Scottsdale, Arizona, ein paar Meter vom früheren SCB-Ausländer Chuck Kobasew entfernt, kann warten. «Ob ich Chuck aus der Schweiz anrufe oder aus meiner Wohnung die Strasse runter, das macht keinen Unterschied», sagt Ebbett und lacht. «Wegen des Coronavirus ist vieles auf Standby. Sobald sich die Dinge normalisiert haben, werden wir schauen, was sich ergibt. Für mich gibt es nur die Option National League. Finde ich keinen Club, denke ich an den Rücktritt.»
Vom grossen Regisseur Orson Welles stammt das Zitat: «Ein Happy End hängt immer davon ab, wo du deine Geschichte abbrichst.» Ebbett sagt: «Sollte dies mein Ende als Profi sein, wäre ich dennoch stolz und glücklich darüber, wie alles gelaufen ist.» Im Hintergrund zwitschern die Vögel. Zum Ende des Gesprächs versichert Ebbett am Telefon: «Ich habe ein Lachen im Gesicht. Alles ist gut.»