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von roche77 » Mo 24. Apr 2017, 21:03
Die Herrscher von Bern........Bern probte am Samstagnachmittag den Ausnahmezustand. Zwischen Bärengraben und Bundesplatz feierten Tausende Anhänger und zufällige Passanten den alten und neuen Eishockey-Meister.
Der Umzug ist in der Hauptstadt beinahe schon zum Ritual geworden. In den vergangenen acht Jahren gewann der SCB vier Titel, zuletzt verteidigte er als erste Mannschaft seit 16 Jahren die Meisterschaft erfolgreich.
Leader für die Zukunft: Leonardo Genoni
Leonardo Genoni, rechts im Bild. (Bild: Remy Steiner / Freshfocus)
Leonardo Genoni, rechts im Bild. (Bild: Remy Steiner / Freshfocus)
Leonardo Genoni, 29, feierte nach dem Wechsel vom HCD zum SCB auf Anhieb den Titel. Der Goalie mit Wurzeln bei den ZSC Lions soll den Erfolg auch künftig garantieren. Sein Vertrag läuft bis 2019.
Eric Blum hatte am frühen Dienstagmorgen, als das Team nach dem vierten Sieg in Zug in der Postfinance-Arena eintraf und dort morgens um zwei Uhr von über 7000 Anhängern begeistert empfangen wurde, gesagt: «Es ist der zweite Titel, aber unsere Reise ist noch nicht zu Ende.»
Die Aussage des 30-jährigen Verteidigers mag für die Konkurrenz wie eine Drohung geklungen haben. Denn es ist lange her, seit ein Team die Finalserie derart dominiert hat wie nun der SCB. Das Gesamtskore lautete 23:9 Tore, in der Hälfte der Spiele war Zug chancenlos (0:5, 1:6, 1:5). Spiel drei stahlen die Zuger, weil der SCB liederlich mit seinem eklatanten Chancenplus umgegangen war. Einzig in der vierten Partie spielten die Zentralschweizer auf Augenhöhe.
Die ZSC Lions als Warnung
Die ZSC Lions hatten den Final 2014 gegen die damaligen Kloten Flyers zwar gleich 4:0 gewonnen, die einzelnen Spiele aber waren weit umstrittener gewesen (1:0, 2:1, 5:2, 2:1 nach Penaltyschiessen). Die Lions hatten damals den zweiten Titel innerhalb von drei Jahren gefeiert und waren der Massstab für alle anderen.
«Die Krönung einer perfekten Saison», titelte die NZZ. «Kaum ein Verein setzt die Mittel derart klug ein, wie es die ZSC Lions tun», kommentierte die «Berner Zeitung». Der «Tages-Anzeiger» schrieb vom «logischen Meister». Die Agentur mutmasste, der Klub sei «auf dem Weg zu einer Dynastie».
Seither haben die Lions keinen Titel mehr gewonnen und sind zuletzt zweimal als Favorit im Viertelfinal gescheitert. Ihr Beispiel zeigt, wie unberechenbar die Eishockey-Meisterschaft ist. Während der FC Basel sich im Fussball anschickt, den achten Titel in Folge zu gewinnen, liegt die letzte Dynastie im Eishockey bereits 20 Jahre zurück.
Leader für die Zukunft: Eric Blum
Eric Blum, zweiter von Rechts im Bild. (Bild: Marc Schumacher / Freshfocus)
Eric Blum, zweiter von Rechts im Bild. (Bild: Marc Schumacher / Freshfocus)
Auch Eric Blum, 30, hat seine Karriere in der Lions-Organisation begonnen. Er kam vor zwei Jahren aus Kloten zum SCB und war Schlüsselfigur bei beiden Titeln. Im September verlängerte er bis 2022 in Bern.
Der EHC Kloten hatte zwischen 1993 und 1996 vier Titel aneinandergereiht. Selbst dem HCD und dessen Trainer Arno Del Curto ist es trotz sechs Titeln in zwölf Jahren nicht gelungen, zweimal in Folge Meister zu werden (siehe untenstehenden Kasten).
Die Nationalliga ist ausgesprochen ausgeglichen, die Unterschiede der finanziellen Engagements sind zumindest unter den Top-Teams minimal. Der SCB operierte in der vergangenen Saison mit einem Budget von 25 Millionen Franken; in Zürich, Lugano, Davos oder Zug sind die Rahmenbedingungen nicht grundsätzlich anders. Der Lausanne HC investiert über seine kanadischen Besitzer intensiv in das Kader.
Joël Vermin und Christoph Bertschy, die beide in der Organisation des SCB gross geworden sind, entschieden sich für Offerten aus der Westschweiz und gegen eine Rückkehr nach Bern, falls sie auf nächste Saison aus Nordamerika heimkehren sollten.
Und doch gilt der SCB auch in Zukunft als Team, das es zu schlagen gilt. Er ist wirtschaftlich und sportlich hervorragend aufgestellt. Der Torhüter Leonardo Genoni, die Verteidiger Eric Blum und Ramon Untersander, die Stürmer Thomas Rüfenacht, Tristan Scherwey oder Alain Berger – sie alle sind langfristig
an den Klub gebunden. Aus Biel kommt mit Gaëtan Haas einer der talentiertesten Schweizer Center.
Nun hat die Verlängerung des Vertrages mit Simon Moser Priorität. Der Sportchef Alex Chatelain will die Verhandlungen mit dem Nationalspieler bereits in den kommenden Tagen aufnehmen.
Während sich Basel im Fussball anschickt, den achten Titel in Folge zu gewinnen, ist die letzte Dynastie im Eishockey 20 Jahre her.
Das alles erinnert an die Situation 2014 bei den ZSC Lions. Auch dort hatte der Sportchef Edgar Salis die Schweizer Schlüsselspieler frühzeitig langfristig an den Klub gebunden. Luca Cunti, Reto Schäppi und Patrik Bärtschi hatten bis 2017, Roman Wick sogar bis 2018 unterschrieben.
CEO Peter Zahner sagte in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger»: «Man darf nicht erwarten, dass wir jetzt jedes Jahr Meister werden. Das wäre respektlos gegenüber den anderen Teams. Aber wir müssen immer auf dieses Ziel hinarbeiten. Wir müssen demütig bleiben, die Einstellung haben, jeden Tag besser zu werden. Dieser Anspruch hält einen davon ab, genügsam zu werden. Denn das wäre das Schlimmste.»
Jalonen, das Schlachtross
Es hätten auch die Worte von Zahners Konkurrenten Marc Lüthi sein können. Am Dienstagnachmittag sass der Kopf hinter der Berner Erfolgsgeschichte im leeren Stadionrestaurant und sagte, dieser fünfte Titel unter seiner Führung sei der bisher wertvollste für ihn, weil er eben gleichzeitig eine Titelverteidigung gewesen sei.
Lüthi hat auch schon anderes erlebt: 2014, unmittelbar nach dem dritten Titel unter ihm, hatte sein Team als erster Meister im darauffolgenden Jahr die Play-offs verpasst. Auch deshalb hat er vor einem Jahr den Meister-Coach Lars Leuenberger verabschiedet und gegen Kari Jalonen getauscht. «Unter Jalonen wird es keine Genügsamkeit geben. Er ist ein altes Schlachtross.»
Leader für die Zukunft: Simon Moser
Simon Moser. (Bild: Daniela Frutiger / Freshfocus)
Simon Moser. (Bild: Daniela Frutiger / Freshfocus)
Simon Moser, 28, stammt aus der Nachwuchsabteilung der SCL Tigers. Nach dem Langnauer Abstieg 2013 wechselte er via Nashville nach Bern. Sein Vertrag (bis 2018) soll vorzeitig verlängert werden.
Genügsam geworden zu sein, sich in den entscheidenden Momenten nicht mehr auflehnen zu können, genau das hat man den Spielern der ZSC Lions nach ihrer Viertelfinal-Niederlage gegen den HC Lugano vorgeworfen.
Es ist eine plakative Unterstellung, die sich gut liest und beim enttäuschten Anhang möglicherweise hilft, Frust abzubauen. Man hat den Vorwurf auch in Bern bereits gehört – vor drei Jahren nach dem Sturz in die Klassierungsrunde oder zwischen 2006 und 2009, als der SCB als Qualifikationssieger dreimal
in den Viertelfinals scheiterte.
Seit dem Jahr 2000 haben drei Teams 16 der 18 Titel unter sich aufgeteilt: der SCB, der HCD und die ZSC Lions. Nur der HC Lugano durchbrach die Dominanz der grossen drei zweimal (2003, 2006). Es ist gerade drei Jahre her, da schienen die ZSC Lions alles richtig zu machen und der Konkurrenz um Jahre entrückt zu sein.
Nun ist der SCB das Team der Stunde. «Meisterlicher Meister bleibt meisterlich», schrieb die «Berner Zeitung», «die Berner Streber» der «Tages-Anzeiger», «überall einen Schritt voraus» die NZZ. Es sind Schlagzeilen des Moments