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von bandeschreck » Fr 16. Mai 2014, 08:37
Artikel aus der heutigen BZ zu Thomas Rüfenacht...
Mein Spielstil passt perfekt zu Bern
Der schweizerisch-amerikanische Doppelbürger Thomas Rüfenacht bestreitet in Minsk seine erste Weltmeisterschaft. In der nächsten Saison wird der 29-jahrige im SCB-Dress spielen. Rüfenacht gilt in der Szene als Provokateur. Er sagt: „lch weiss, was ich kann."
Was wissen Sie über den nächsten Gegner Finnland?
Thomas Rüfenacht: Ganz ehrlich: Ich kenne die Mannschaft kaum. Aber das spielt keine Rolle.
Weshalb?
Weil wir genug mit uns selbst zu tun haben. Es fehlt immer noch an Konstanz und Cleverness.
Könnte der Knoten nach dem 3:2 gegen Deutschland gelöst sein?
Der Sieg war reine Pflichterfüllung. Aber wir haben gesehen, dass umstrittene Partien auch auf unsere Seite kippen können. Ich hoffe, dass wir nun mit mehr Lockerheit antreten ...
Was bedeutet, dass die Schweiz an der WM bisher verkrampft gespielt hat.
Schauen Sie: 2013 lief alles wie von selbst. Von der ersten bis zur vierten Linie spielte jeder sein bestes Hockey. Julian Walker aus der Checkerlinie erzielte acht Punkte, das ist verrückt. Und dann klappt ein Jahr später nichts mehr. Was machst du? Du willst es erzwingen, drückst den Stock noch härter runter, verkrampfst dich. Jetzt merken wir, wie wichtig dieser Match gegen die USA war. Ich bin überzeugt: Hätten wir diese Partie gewonnen, wäre der WM-Zug bereits am Samstag ins Rollen gekommen.
Für Sie war die Partie speziell: Sie besitzen den amerikanischen Pass - und dann wurde lhnen ein regulärer Treffer aberkannt.
Das war schade. Gegen die USA fühlte ich mich gut Gegen Weissrussland und Deutschland hatte unsere vierte Linie weniger Einfluss. Das gehört zu unserer Rolle.
Wie meinen Sie das?
Manchmal hast du als Viertlinienspieler mehr, manchmal weniger Eiszeit. Das ist nicht einfach. Aber egal, wie oft wir auf dem Eis stehen: Wir wollen eine mühsame Linie sein, die checkt, konzentriert spielt, an den Gegenspielern kratzt. Unser Ziel ist es, das Energielevel der Mitspieler zu erhöhen, sie anzustacheln. Sie sollen sehen, wie hart wir arbeiten un d sich inspirieren lassen.
In der kommenden Saison wollen Sie die Spieler des SC Bern anstacheln. Wes-halb wechseln Sie von Lugano zum SCB?
Als ich vor neun Jahren in der NLB bei Visp spielte, hätte ich nie gedacht, dereinst einen Vertrag in Bern zu erhalten. Vor über 16 000 Zuschauern spielen zu dürfen - was willst du mehr? Mein Spielstil passt perfekt zu Bern. Ich werde von der Energie in der Postfinance-Arena profitieren können.
Es war auch zu lesen, Sie würden das Tessin vorwiegend aus privaten Gründen verlassen.
Ja, angeblich wegen meiner Frau. Aber das stimmt nicht. Sie unterstützt mich immer, egal bei welchem Klub ich spiele. Schliesslich kam sie ja auch mit nach Lugano. Es geht um etwas anderes.
Das wäre?
Ich hasse Bequemlichkeit. Ich bin einer, der immer neue Herausforderungen braucht und sich verbessern will. Ich bin bald 30 Jahre alt, aber noch nicht am Ende meiner Karriere angelangt. Mit Guy Boucher hat Bern einen Trainer, der harte Arbeit verlangt und hohe Ansprüche stellt -das passt zu meinem Charakter.
Für einige kommt es überraschend, dass Sie auf WM-Niveau mithalten können.
Ich weiss auch, warum die Leute überrascht sind: Alle denken immer, der Rüfenacht sei ein dummer Spieler, einer, der nur Strafen kassiere. Aber ich weiss, was ich kann. Jene, die mich als dumm bezeichnen, lesen zu viele Zeitungen und Statistiken.
Aber es heisst doch gemeinhin: Zahlen lügen nicht.
Wer auf die Statistik blickt, sieht bei mir die vielen Strafminuten. Was aber nicht ersichtlich ist: Ich kassiere selten Strafen, bei denen ich als Einziger auf die Strafbank geschickt werde. Ich provoziere gezielt, habe oft ein Lächeln auf den Lippen und versuche, entsprechende Gegner aus dem Spiel zu nehmen. Wenn ich jetzt im Nationalteam einige Leute überrasche, dann nur, weil von mir nicht viel erwartet wird. Ich bin kein Blender, kann aber auch auf hohem Niveau Zug zum Tor entwickeln und solid spielen.
Werden Sie unterschätzt?
Ich denke, ja. Aber jene, die mich im Team haben, schätzen mich. Ich lebe Eishockey, mache für das Team, was es braucht, lege mich in Schüsse, stecke Schläge ein, provoziere, gehe vors Tor. Deshalb mögen mich die Mitspieler. Ich hoffe, dies wird auch in Bern der Fall sein.
Interview: Reto Kirchhofer, Minsk