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von mario_giri » Do 13. Mär 2025, 11:35
Et voilà
«Die Rivalität zu Fribourg war intensiv, aber auch von Freundschaften geprägt»
Ab nächster Woche treffen der SC Bern und Fribourg-Gottéron zum siebten Mal in einer Playoff-Serie aufeinander. Der frühere Bern-Goalie, der die ersten drei Duelle hautnah miterlebte, erzählt.
Kristian Kapp
Renato Tosio
,
Kristian Kapp
(aufgezeichnet)
Publiziert: 07.03.2025, 06:00
SCB-Goalie Renato Tosio wird von begeisterten Fans getragen, nachdem der SC Bern am 11. April 1992 Eishockey-Schweizermeister wurde.
Gefeiert nach dem Sieg beim Rivalen: Die SCB-Fans lassen Renato Tosio am 11. April 1992 nach dem Sieg im fünften und entscheidenden Finalspiel in Freiburg hochleben.
Foto: Edi Engeler (Keystone)
«Gegen den SC Bern wollen immer alle unbedingt gewinnen. Er wurde schon zu meiner Aktivzeit als Ligakrösus angesehen, das gehört in Bern einfach dazu, daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Speziell war schon damals, dass der SCB gleich drei Derbygegner hatte: Langnau, Biel und Fribourg.
Das richtige ‹Ur-Derby› war für mich zwar immer Langnau. Doch dieses nachbarschaftliche Zähringer-Derby und seine Rivalität waren damals schon von einer unglaublichen Intensität geprägt. Ich erlebte gleich drei Playoff-Serien gegen Gottéron, die letzten beiden fielen in die Ära Bykow/Chomutow, das macht die Affichen für mich noch spezieller.
Das ist etwas vom Ersten, was mir in den Sinn kommt, wenn ich an die Rivalität mit Fribourg zurückdenke. Die beiden Russen, vor allem Slawa Bykow, wurden gleichzeitig zu guten Freunden. Dies galt für eine ganze Reihe Freiburger: Paul-André Cadieux selig, Pascal Schaller, Mario Brodmann, Patrice Brasey oder mein Churer Kollege Markus Theus. Die Rivalität spielte sich für mich nur auf dem Eis ab, dort war sie umso intensiver. Ich wollte immer gewinnen, aber die Motivation bei diesen Spielen war noch grösser.
Es war ein Spiessrutenlauf
Der Gang nach Freiburg war der Gang in die Höhle des Löwen respektive des Drachen. Es war immer unangenehm vor diesem extrem lauten Publikum. Es begann schon bei der Ankunft. Da es damals noch nicht so viele Eingänge ins Stadion gab, wartete jeweils bereits eine grosse Schar an Leuten. Ich nehme an, dass es bewusst so organisiert war, dass wir jedes Mal an den gegnerischen Fans vorbeimussten. Es war ein Spiessrutenlauf, es blieb aber stets bei den verbalen Provokationen.
Wir gewannen alle Playoff-Duelle: 1990 im Viertelfinal, 1991 im Halbfinal und 1992 im Final – die intensivsten Erinnerungen habe ich an die letzte Serie. Sie ging über die volle Distanz von fünf Spielen und hatte einen sehr speziellen Verlauf: Wir gewannen Spiel 2 11:2, verloren danach aber zwei Mal deutlich, um dann doch noch Meister zu werden – mit einem 4:1 auswärts.
Slava Bykov beim Abschiedsspiel in Freiburg am 19. August 2000 im Gespräch mit SCB-Goalie Renato Tosio. Im Hintergrund jubelnde Zuschauer.
Freundschaft trotz Rivalität: Als Slawa Bykow sich am 19. August 2000 in Freiburg mit einem Spiel einer russischen Auswahl gegen ein verstärktes Gottéron-Team verabschiedete, war Renato Tosio auch eingeladen.
Foto: Peter Schneider (Keystone)
Fribourg wurde bis heute noch nie Meister. Der Druck im Final ist dann umso grösser, das spürten wir schon damals. Dann kann dieses fantastische Publikum auch zur Belastung werden. Die Last auf Fribourg in Spiel 5 war immens, wir konnten als Aussenseiter in die Partie. Ich erinnere mich vor allem an zwei Ereignisse.
Das erste ist eine harte Geschichte: Alan Haworth war unser ausländischer Stürmer. Eine schillernde Figur und unser Topskorer. Er hatte wie auch Verteidiger Rexi Ruotsalainen alle Spiele bestritten. Im Playoff stiess Jiri Lala als Ersatzausländer zu uns, spielte aber nie. Doch in der allerletzten Partie liess Trainer Bill Gilligan alle drei einlaufen. Und es war tatsächlich Haworth, der sich nach dem Warm-up wieder umziehen musste. Wir alle konnten das nicht fassen. Gilligan wollte mit dieser Massnahme für das Zünglein an der Waage sorgen und bekam recht. Aber für Alan war dies brutal.
Die andere Story ist eine schöne: Obwohl wir beim Rivalen Meister wurden, konnten wir unsere Freude auf dem Eis und in der Garderobe ausleben. Es kam zu keinen hässlichen Zwischenfällen. Wie wir die kurze Heimfahrt und den Empfang im eigenen Stadion genossen, ist mir darum noch sehr präsent.
Renato Tosio, Manager des Golfclubs Domat/Ems und ehemaliger Eishockey-Goalie, am 12. Dezember 2023 in Domat/Ems, Graubünden, vor einem roten Hintergrund.
Renato Tosio heute: Der frühere Goalie arbeitet als Manager des Golfclubs Domat/Ems.
Foto: Yanik Buerkli
Die beiden Teams treffen nun zum sechsten Mal aufeinander. Die spezielle Affiche ist geblieben. Darum sehe ich diese Serie als völlig offen an, 50:50 – auch wenn der SCB über eine lange Serie Vorteile hat, weil er stabiler ist. Das Momentum mag zwar noch bei den Freiburgern sein, da sie unter Lars Leuenberger einen Aufschwung erlebten. Aber der SCB hat mir über die ganze Saison gesehen besser gefallen. Auch, da er weniger von den Ausländern abhängig sein sollte.
Natürlich liegt mir der SCB immer noch am Herzen, ich war diese Saison drei Mal in Bern im Stadion. Doch als Bündner ist mein Herz mittlerweile an zwei Orten. Ich werde darum vor allem zwei Viertelfinals mit Emotionen verfolgen: jenen Berns und jenen des HC Davos gegen Zug. Ich bin aber grundsätzlich sehr interessiert an der Liga, die so unglaublich ausgeglichen geworden ist. Freuen wir uns auf ein schönes Playoff!»
„Dr Goalie isch nie tschuld“
Marco Bührer