«Auf diese Weise wollte ich nicht zurücktreten»
Der 37-jährige Stürmer Hnat Domenichelli steht heute Freitag erstmals für den SCB im Einsatz. Der Kanada-Schweizer erklärt, weshalb er sich für Bern entschieden hat – und wie er dem Team helfen will.
Zug, Biel, Lausanne, Ambri, Bern – viele Klubs wollten Sie verpflichten. Weshalb haben Sie beim SC Bern unterschrieben?
Hnat Domenichelli: Um ehrlich zu sein: Ich habe gar nichts unterschrieben (schmunzelt). Ich stehe immer noch bis Saisonende bei Lugano unter Vertrag, bin aber für diese Zeit an den SC Bern ausgeliehen.
Und weshalb der SCB?
Es brauchte eine Entscheidung, die für drei Seiten stimmen musste: für Lugano, für mich, für meinen künftigen Verein. Am Ende war Bern die beste Option für alle. Ich freue mich, ab sofort ein Teil dieser Hockeykultur zu sein. Der SCB hat eine grosse, erfolgreiche Geschichte. Die Leute haben eine spezielle Passion für das Eishockey. Also: Wenn dich ein Klub wie Bern will, musst du diese Chance packen – erst recht in meinem Alter (schmunzelt).
Sie spielten einst mit dem jetzigen Assistenztrainer Lars Leuenberger bei Ambri. Welche SCB-Spieler kennen Sie bereits?
Die meisten Kanadier: Travis Roche, Byron Ritchie, Ryan Gardner. Mit Andreas Hänni habe ich in Lugano gespielt, mit Martin Plüss, Ivo Rüthemann und Philippe Furrer an den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver. Ich kenne also einige.
Sportchef Sven Leuenberger wollte Sie bereits vor sechs Jahren verpflichten, nachdem Sie den Schweizer Pass erhalten hatten...
...und nun hat es doch noch geklappt. Hätte mir jemand vor einigen Wochen gesagt, ich würde in Zukunft für Bern spielen, ich hätte das nie geglaubt. Aber so läuft das Business – und vielleicht ist es ganz gut für mich, nach elf Jahren im Tessin etwas anderes kennen zu lernen. Alles ist neu: neue Atmosphäre, neue Mentalität, neues Team. Mit 37 Jahren starte ich quasi bei null, niemand kennt mich hier.
Ihr Name ist den Leuten in Bern mit Sicherheit ein Begriff.
Das mag sein. Aber es ist nicht einfach, während der Saison in ein neues Team zu kommen. Ich werde zwei bis drei Wochen benötigen, um mich auf und neben dem Eis einzuleben. Nach der Nationalmannschaftspause sollte ich so weit sein.
Ist es hart für Sie, die Familie im Tessin zurückzulassen?
Klar muss ich einige Opfer bringen, aber das ist kein Problem. Ich werde einmal pro Woche nach dem Training ins Tessin fahren, meine Frau und die Kinder werden ab und zu vorbeikommen. Die Familie versteht, dass es für mich eine grosse Chance ist, zu einem späten Zeitpunkt meiner Karriere nochmals in einem grossen Team zu spielen.
Wie können Sie Bern helfen?
Ich war erstaunt, als mich Sven Leuenberger anrief. Ich hätte nicht gedacht, dass solch ein starkes Team wie Bern mich brauchen würde. Ich will zuerst positive Energie in die Mannschaft bringen, dann sehen wir weiter.
Sie mussten in der letzten Saison nach einem Schien- und Wadenbeinbruch lange pausieren. Wie steht es um Ihre Form?
Ich war vier Monate weg gewesen, spielte danach aber solide Playoffs, absolvierte eine harte Vorbereitung im Sommer, und auch mein Start in diese Saison war gut. Doch dann haben sich die Dinge in Lugano in eine ungeahnte Richtung entwickelt.
Sind Sie froh, müssen Sie am Samstag nicht gleich gegen Ihre Ex-Teamkollegen antreten?
Nein. Ich hätte am Samstag gegen Lugano lieber gespielt. Ein Spiel, und dann wäre das ganze Thema auch schon durch gewesen.
Wir gross ist Ihre Enttäuschung über den Rauswurf in Lugano?
Ich war fünf Jahre dort, logisch, war ich enttäuscht. Ich brauchte eine Woche, um die Geschehnisse zu verarbeiten. Aber wissen Sie: Rückblickend muss ich sagen: Ich bereue nichts. Ich habe in Lugano immer meine Leistung gebracht – ich bin stolz darauf, wie ich dort gespielt habe. Wenn die Verantwortlichen eine neue Richtung mit Jüngeren einschlagen wollen, kann ich das akzeptieren – den Entscheid verstehen muss ich aber nicht.
War ein vorzeitiger Rücktritt nie ein Thema?
Nein, auf diese Weise wollte ich doch nicht zurücktreten. Jetzt ist die beste Zeit für Eishockey. Hätte ich zurücktreten wollen, hätte ich im Sommer nicht so hart gearbeitet. Ich freue mich auf den weiteren Saisonverlauf mit Bern.
Und was kommt danach?
Fragen Sie mich im Frühling wieder.
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Domenichellis Debüt, Roches Ausfall
Der SC Bern misst sich heute Freitag (in Zug) und morgen (zu Hause gegen Lugano) mit Mannschaften, denen es noch schlechter läuft als dem kriselnden Titelverteidiger. Sportchef Sven Leuenberger erhofft sich von der Verpflichtung Hnat Domenichellis Impulse: «Er ist mit seinen Skorerfähigkeiten eine klare Verstärkung – in der momentanen Situation mit den Verletzungen von Martin Plüss und Ryan Gardner sowieso.» Domenichelli könnte dem Team generell und Byron Ritchie speziell Aufschwung verleihen – der Zuzug wird in Zug an der Seite des kanadischen Centers zum Einsatz kommen; Pascal Berger komplettiert die Formation. In Absprache mit Lugano wird Domenichelli am Samstag gegen seine Ex-Teamkollegen nicht eingesetzt.
Die weiteren Sturmlinien für die heutige Partie könnten sein: Daniel Rubin, Mikko Lehtonen, Ivo Rüthemann; Joël Vermin, Tristan Scherwey, Marco Müller; Christoph Bertschy, Alexei Dostoinow, Michaël Loichat. In der Abwehr dürfte nach Philippe Furrer und David Jobin neuerdings auch Travis Roche ausfallen – dafür kehrt Flurin Randegger zurück. «Die Situation mit den vielen Verletzten ist speziell – aber auch eine Chance», sagt Youngster Christoph Bertschy. «Jeder muss einen Schritt nach vorne machen.» Bertschy ist seit zehn Partien ohne Skorerpunkt, «es ist höchste Zeit, wieder einmal zu treffen».
PS: Wo bleiben fett und kursiv-Schreibung... so kann man ein Interview eigentlich gar nicht gut leserlich posten...
