Vielleicht hier noch etwas leserlicher
«Manchmal verjagt es mich»
In der Vorsaison sagte Simon Moser immer wieder: «Als Captain ist es einfach, wenn es läuft.» Nun läuft es nicht mehr beim SCB. Der Captain spricht vor dem Derby heute in Langnau darüber, wie er mit der Situation umgeht.
Von Reto Kirchhofer
Simon Moser, unser Gespräch findet am Nationalen Zukunftstag statt. Wo haben Sie als Bub Ihre Zukunft gesehen?
Als Eishockeyprofi oder als Physiotherapeut.
Und als Lokomotivführer?
Nein, im Gegensatz zu anderen war das für mich kein Thema.
Was sagen Sie zu folgender These: Beim SCB hat es zurzeit zu viele Passagiere und zu wenig Lokführer im Team?
Es liegt nicht am Willen. Aber einige sind noch nicht so weit, dass sie unter Druck Verantwortung übernehmen können. Das ist offensichtlich. Und wir haben zu wenige in der Mannschaft, die vieles richtig machen.
Sie haben beim SCB manche Phase erlebt, in denen der Erfolg ausblieb. Wie beurteilen Sie die momentane Lage?
Nach sieben Partien, zwei Siegen und fünf Niederlagen sagte ich, das sei sicher keine Krise. Aber schauen wir uns jetzt die Resultate an, die Leistungen, die Tabelle, dann muss man von einer Krise sprechen, ganz klar. Wir befinden uns in einer Negativspirale. Einige kennen diese Situation aus der Saison 2015/2016.
Als der SCB bis zum Schluss um die Playoff-Teilnahme kämpfte.
Wir müssen davon ausgehen, dass es erneut bis zum Ende ein Geknorze sein wird. Vergleichen wir die Ausgangslage mit damals, fällt auf: Nun ist die Liga noch ausgeglichener, in der Breite besser. Was bedeutet, dass es fürs Playoff mehr benötigen wird.
Wie häufig steht der Captain zurzeit in der Garderobe auf?
Es sollten nicht immer dieselben aufstehen und etwas sagen. Jeder muss involviert sein. Oder um Ihr Bild aufzugreifen: Wir wollen keine Passagiere. Einige müssen sich entwickeln, mehr Verantwortung übernehmen. Das geht nicht von heute auf morgen.
Welche Wörter verwenden Sie am häufigsten, wenn Sie zum Team sprechen?
«Positiv» und «zäme». Du findest immer etwas, was nicht gut ist: im Eishockey, im Privaten, wo auch immer. Der Mensch sucht häufiger nach Negativem. Ich versuche Negatives anzusprechen, aber positiv zu bleiben.
Bern hat denselben Trainer, dieselbe Philosophie, bis auf wenige Ausnahmen denselben Kern. Dennoch sind die Stärken der Vergangenheit die Schwächen von heute: Disziplin, Verhalten in der eigenen Zone. Wie lässt sich das erklären?
Die Entwicklung kam nicht vom einen Tag auf den anderen. Zu Beginn gaben wir viele Spiele nach Führung aus der Hand. Das Selbstvertrauen ging nach unten, ebenso die Position in der Tabelle. Stattdessen stieg der Druck. Es ist die klassische Negativspirale, die uns nach unten gezogen hat.
Viele Spieler haben auslaufende Verträge. Trägt dieser Umstand zur Verunsicherung bei?
Am Anfang war das kein Thema. Aber es lässt sich nicht vom Tisch wischen, dass das mittlerweile einen Einfluss hat. Es gibt Spieler mit Familie und auslaufendem Vertrag. Vielleicht versuchen sie im Match ab und an etwas anderes, Spezielles, wollen «ums Verrecke» ein Tor erzielen. Es ist ein Faktor von vielen.
Eine weiterer, wenig offensichtlicher Faktor könnte sein: Ein halbes Dutzend Spieler ist erstmals Vater geworden. Haben die einschneidenden Änderungen im Privatleben Auswirkungen auf den Sport?
Wir gehen nicht von Match zu Match und hoffen, es werde besser. Wir sprechen jedes Thema an. Wir haben auch dieses Thema angesprochen. Aber letztlich ist das eine private, individuelle Angelegenheit. Jeder muss damit umgehen können.
Nimmt es der Captain persönlich, wenn das Team nicht auf Touren kommt?
Auf jeden Fall. Letzte Saison sagte ich: Als Captain ist es einfach, wenn es läuft. Nun läuft es nicht. Die Situation ist neu. Ich empfinde sie nicht als Belastung, eher als Herausforderung.
Welche Eigenschaften muss ein guter Captain haben?
Jeder soll die Rolle so ausüben, wie er es für richtig empfindet. Ich versuche, überall reinzuhören, zu helfen. Aber meine Leistung muss im Zentrum stehen.
Gibt es einen Captain, der Sie speziell geprägt hat?
Martin Plüss hatte sicher grossen Einfluss: Wie er sich für das Team eingesetzt hat, wie er auf dem Eis voranging. Dennoch sind wir sehr verschieden. Du musst deine Philosophie entwickeln, sonst bist du nicht glaubwürdig.
Plüss trennte strikt zwischen Sport und Privatleben. Sie greifen häufiger zum Integrationsmittel Geselligkeit.
Über dieses Thema habe ich mir Gedanken gemacht: Wie nah willst du als Captain beim Team sein. Ziehst du immer mit, wenn die Jungs ausgehen? Distanzierst du dich ab und an? Aber …
… das Gesellige hat Sie schon immer ausgezeichnet.
Genau. Es wäre nicht glaubwürdig gewesen, hätte ich dieses Verhalten geändert.
Gab es Geselliges während der Nationalmannschaftspause?
Nein. Es gab ein Gespräch mit dem Kern des Teams. Und dann brauchte vor allem jeder ein paar freie Tage. Ich genoss die Zeit mit Freundin und Kind. Kopf lüften, weg sein vom Eishockey, auch in Gedanken: Das war wichtig.
Ihr Bruder Stephan sagte einst: «Am wohlsten fühlt sich Simu im kleinen Kreis.» Als Captain sind Sie aber auch für die Öffentlichkeit ein gefragter Mann. Behagt Ihnen die Rolle?
Ich wachse an der Aufgabe. Interviews geben, damit habe ich kein Problem. Ich spreche selten aus den Emotionen heraus. Klar: Manchmal verjagt es mich. Aber im Gespräch kann ich mich zurückhalten. Du musst den Kopf einschalten, wenn du den Journalisten etwas sagst – selbst wenn das einige lieber andersrum hätten. (schmunzelt)
Sie gelten privat als ruhiger, friedliebender Typ. Können Sie einem Mitspieler so richtig die Meinung geigen?
Wahrscheinlich müsste ich das besser können. Ich kann «hässig» sein, keine Frage. Aber mit viel Wut im Bauch eine Ansprache zu halten: Das bringt nicht viel. Ich versuche eher, im Spiel und auf der Bank aggressiv zu sein und die Mitspieler zu pushen.
Hat Bern genügend Spieler, die das tun?
Wir haben genügend Spieler, die aufstehen und sagen können, was es geschlagen hat. Aber wir brauchen mehr Spieler, die sich einbringen, selbst wenn das nur mit etwas Kleinem ist, ein paar normalen Worten zum Beispiel, oder mit etwas Gutem. Das Gute darf bei aller Kritik nicht verloren gehen.
Nach der Meisterschaftspause stehen das Derby in Langnau und das Heimspiel gegen Tabellenführer Zürich an. Das sind hohe Hürden.
Es gibt keine Ausreden. Für uns zählen nur noch Punkte. Wir müssen auf die richtige Bahn kommen. Aber das wird nicht von heute auf morgen gelingen. Es ist ein Prozess: Wenn er gelingt, sollte jeder gestärkt aus dieser Phase kommen.
Am Samstag sind ehemalige SCB-Captains eingeladen. Das Spiel gegen die ZSC Lions findet im Rahmen der «Captains’ Night» statt.
Das ist eine tolle Sache. Die Captains sind Teil der langen Geschichte des Clubs. Ich freue mich. Und ich hoffe, sie werden von den Leuten gebührend empfangen. Was diese Captains geleistet haben, darf mit unserer Lage nicht in Zusammenhang stehen.