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von Talisker » Mi 21. Jan 2015, 09:40
Gottéron hat nun eine Art "Zyklus" absolviert. Lange Jahre ein "armer Klub", der von der Aufstiegseuphorie und den Legenden um die "Copains" zehrte und mit seinem Aussenseiterstatus die lokale Zuschauergemeinde an sich band. Dazu "Sauvez Gottéron" schier im Jahresrythmus.
Trotz dauernder Gratwanderung über dem finanziellen Abgrund war Gottéron aber ein "Identifikationsobjekt" für den ganzen Kanton, deutsch und welsch, dessen Anziehungskraft auch auf Politik + Wirtschaft ausstrahlte. Warum sollte Gottéron nicht zu einem Spitzenverein und Schweizermeister werden? Mit einem solchen "Projekt" konnten sich Politiker und lokale Wirtschaftsgrössen ja kaum unbeliebt machen, beste Wahl- bzw. Firmenwerbung. Spötter behaupteten, Gottéron sei nun quasi "Staatsaufgabe" geworden. Sponsorengelder begannen reichlicher zu sprudeln, insbesondere die (öffentliche) Kantonalbank und die Groupe E engagierten sich überdurchschnittlich. Wenig erstaunlich, dass ein ehemaliger Bankdirektor den Klub präsidierte.
Erfolg war dem Klub durchaus beschieden, aber mit dem Essen kommt auch der Appetit. Gottéron war nun nicht mehr der "arme-Leute-Klub", für den die Saison schon gerettet war, wenn er den SCB 1x pro Saison in einem Heimspiel bezwang. Das Gebaren des Klubs, auch auf dem Transfermarkt, liess den interessierten Beobachter erstaunen. Mit dem verstärkten finanziellen Powerplay stieg aber auch der Druck, Erfolg haben zu müssen. Immerhin, war man die letzten paar Saisons immer ganz vorne mit dabei, eine Finalteilnahme, aber die ultimative Krönung, ein Titelgewinn, blieb Gottéron versagt.
Der Katzenjammer blieb nicht aus und ist bis heute nicht ganz überwunden. Dazu kommt, dass man mit dem Kraftakt das "Pulver" in verschiedenster Hinsicht etwas verschossen hat. Die grossen Tenöre sind älter geworden, Dorfkönige wie Sprunger oder Bykov werden als zu "weich" kritisiert, sündteure Transfers wie z.B. ein Thibaud Monnet entpuppen sich als wirkungslose Mitläufer, dazu die üblichen Trainerquerelen. Auch hat man für das Erreichen der Spitze etwas viel Geld im Nachbrenner verheizt, anderen (langfristigen) Dingen hingegen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Kritik wird z.B. an der Nachwuchsabteilung laut - ob berechtigt oder nicht ist schwierig zu beurteilen. Die Erkenntnis, dass das Doppelmandat Trainer + Sportchef nur in speziellen Situationen funktioniert, ist hingegen nicht neu. Nun, auch Gottéron wird den Rank - um ein paar Erkenntnisse reicher - früher oder später wieder finden.
Dieser "Zyklus" ist nicht untypisch und war schon vorauszusehen, als sich vor einiger Zeit die langjährigen Mittelfeldklubs wie Kloten, Zug + Fribourg aufmachten, mit grossen Investitionen die Spitze anzugreifen. Beim EVZ war + ist etwas mehr finanzieller + eishockeytechnischer Sachverstand vorhanden als bei den beiden anderen. Kloten war zwar ein paar Mal im Final, ging dafür aber fast Konkurs. Heute ist dank P. Gaydoul zwar nicht mehr das Finanzielle Problem Nr. 1, dafür fehlt's dem Klub im technischen Bereich. Und in Fribourg hat die Euphorie manches überdeckt, was nun aufgearbeitet werden muss.
Nun, der SCB // musste / muss / wird noch müssen // immer viel Spott und Häme über sich ergehen lassen, wenn man mal wieder der Favoritenrolle nicht gerecht geworden ist. Mindestens die schadenfrohen Zeitgenossen aus dem Dunstkreis gewisser Klubs werden aber mittlerweile festgestellt haben, dass die Sache halt doch nicht ganz so trivial ist. Die Vorstellung, mit einfach mal ein paar Saisons vorne mitspielen komme man früher oder später in den Final und damit zu Meisterehren, ist zu optimistisch. Auch wurde + wird meist unterschätzt, wie schwierig es ist, nach Misserfolgen immer wieder aufzustehen. Schadet uns übrigens auch nicht, wenn man sich verschiedene, als selbstverständlich hingenommene Dinge mal wieder vor Augen führt....