Der SC Bern und die Torhüter: Der SCB braucht eine Lösung
Meinung
Zu viele Torhüter?
Der SCB ist im Goalie-Dilemma – aber sein Hauptproblem liegt anderswo
Der SC Bern hat gleich vier Torhüter im Kader und erntet dafür Spott. Dabei ist das gar nicht die dringlichste Baustelle bei dem Team.
Kristian Kapp
Publiziert 26.08.2025 um 06:00 Uhr
Eishockeytorhüter Adam Reideborn von SC Bern in gelbem Trikot lehnt sich an das Tor während des Playoffs gegen den HC Fribourg-Gottéron.
Die Nummer 1 unter den vier SCB-Goalies: Adam Reideborn bei einem Einsatz im Playoff 2025 in Freiburg.
Foto: Pascal Muller (Freshfocus)
Ein Team, vier Torhüter – kein Wunder, erntete der SC Bern Spott, als er im Mai den 35-jährigen Sandro Zurkirchen verpflichtete, obwohl er mit Adam Reideborn, Andri Henauer und Christof von Burg schon mehr als genug Goalies hatte.
Seitdem wird das Thema regelmässig hochgekocht und wie die berühmte Sau durchs Dorf gejagt – einfach mit dem immer gleichen Schweinchen.
Natürlich hat sich der SCB das auch selbst eingebrockt.
Wann bekommen in Bern die jungen Goalies eine Chance?
Bern verlängerte letzte Saison vorzeitig Reideborns Vertrag zwar zu günstigen Konditionen, da der Schwede in seiner Heimat aus moralischen Gründen wegen seines KHL-Jahres nach Kriegsbeginn keinen Markt mehr hat. Doch auch ohne Not, da sich Imports meist auch noch im Sommer finden lassen. Über die ganze Saison gesehen spielte Reideborn zudem nur durchschnittlich.
Danach verpflichtete der SC Bern aus Winterthur von Burg bis 2027 und kreierte eine gar nicht mal so schlechte Situation: Hinter Reideborn würden zwei talentierte Schweizer um den Backup-Posten kämpfen und Einsätze erhalten.
Das ist wichtig, denn von Burg hat noch nie in der National League gespielt. Und Henauers Erfahrung beschränkt sich auf knapp zehn Minuten, als er letzte Saison einmal eingewechselt wurde. Ansonsten ist er seit 2022 Leihgabe in Basel mit guten Statistiken.
Reicht er auch für die NL? Das würde man erst nach richtigen Einsätzen erfahren. Nach mehreren richtigen Einsätzen. Stéphane Charlin, Held in Langnau, hielt 2021 in fünf Spielen für Genf nur 77 Prozent der Schüsse und wurde von Experten als untauglich taxiert.
Es gibt im Eishockey kaum Schwierigeres, als die Entwicklung junger Goalies vorherzusagen. Obwohl sie oft als wichtigste Spieler bezeichnet werden, trauen sich NHL-Clubs kaum, Torhüter im Draft sehr früh zu ziehen.
SCB-Goalie Christof von Burg sitzt am 17. Februar 2025 in der leeren Eishalle in Bern auf einem Tor. Er trägt ein schwarzes T-Shirt und schwarze Hosen. Im Hintergrund sind die Tribünen und Werbebanner sichtbar.
Noch ohne Spiel in der National League: Christof von Burg in der Postfinance-Arena.
Foto: Raphael Moser
Und von Burg? Nachdem er sich in vier Jahren in Schweden zu einem stilistisch tadellosen Goalie entwickelt hatte, überzeugte er in Winterthur und weckte das Interesse der NL – der SC Bern machte das Rennen.
Natürlich braucht die Umstellung auf NL-Hockey viel Arbeit auf und neben dem Eis. Zudem war lange offen, ob von Burg zum Saisonstart bereit sein würde. Auch darum hat der SCB Zurkirchen als «Absicherung» verpflichtet. Dennoch stellt sich die Frage: Fehlt der Mut, auf junge Goalies zu setzen? Wobei «jung» relativ ist: Von Burg wird diese Saison 25, Henauer 24. Nur am Alter liegt es also nicht.
Nun soll in Bern zumindest Konkurrenzkampf herrschen. Trainer Jussi Tapola kennt in Goaliefragen keine Angst vor unkonventionellen Entscheiden. Dennoch braucht es viel Fantasie für ein Szenario, in dem nicht Reideborn/Zurkirchen spielen. Wahrscheinlich ist, dass Henauer und von Burg ausgeliehen werden.
Apropos «Mut zu jungen Goalies»: Oft hervorgekramt wird die Story mit Leonardo Genoni und Reto Berra. 2007 starteten sie in Davos 20-jährig ihre NLA-Laufbahn. Doch der Vergleich mit dem SCB hinkt. Nicht nur waren sie die grössten Schweizer Goalietalente ihrer Generation. Ihre Geschichte wird zudem mit zu viel Romantik und Legendenbildung erzählt. Gerade bei Berra verlief der Start harzig, erst ein Transfer zu Biel lancierte seine Karriere.
Und als der HCD 2016 das Wagnis mit Gilles Senn (20) und Joren van Pottelberghe (19) wiederholte, gab es zwar auch ein Happy End – dank Geduld bei Trainer und Club. Der Beginn aber war problematisch und von Patzern geprägt. Ob so ein Szenario auch in Bern, wo das G-Wort ein Fremdwort ist, denkbar gewesen wäre?
Will keiner nach Bern?
Nun sucht der SCB die Lösung für 26/27, wenn seine Routiniers kaum noch da sein werden. Und mit jeder Unterschrift eines Goalies bei einem anderen Club muss er weitere Lacher über sich ergehen lassen: Will keiner nach Bern?
Dabei hat er sich bislang zumindest den Umständen entsprechend (vielleicht auch zufällig) gar nicht so unklug verhalten.
Berra (geht zu Kloten) als Bern-Goalie der Zukunft? Er wird nächste Saison 40.
Dass sich Sandro Aeschlimann für den Verbleib in Davos entschied, war trotz von Drama und Kehrtwenden geprägten Verhandlungen keine Sensation. Am Ende unterschrieb er bis 2031 – der Goalie mit dem physisch intensiven Stil wird dann knapp 37-jährig sein. Ob der SCB wirklich so einen Rentenvertrag hätte offerieren sollen?
Und dass Ludovic Waeber nicht zum SC Bern, sondern zum Jugendclub Gottéron wechseln wird, kann nun wirklich keinen überraschen. Das SCB-Interesse dürfte für seinen Agenten auch als willkommenes Argument für die Verhandlungen gedient haben.
Berns Hauptproblem liegt anderswo – nicht nur in der Goaliefrage. Es gründet darin, dass der SCB bei anderen Clubs kaum potenzielle Rückkehrer weiss, die echte Verstärkungen wären. Marco Müller mag eine Ausnahme sein, die die Regel bestätigt, vielleicht kommt André Heim einst auch zurück.
Deshalb war der SCB beim Feilschen um Stürmer Ken Jäger nicht nur darum chancenlos, weil der HCD dem verlorenen Sohn einen Monstervertrag bis 2033 offerierte. Das hat am Ende vor allem mit Ausbildung zu tun. Kein Wunder ist es für Sportdirektor Martin Plüss seit Amtsantritt ein Hauptthema.
USA? Oder National League?
Nun könnte der SCB Richtung USA und Akira Schmid schielen. Doch beim 25-jährigen Goalie aus der NHL-Organisation von Las Vegas gibt es Fragezeichen. Kommt er überhaupt zurück? Sein Vertrag (fix 875’000 US-Dollar brutto) läuft 2026 aus, seine Rechte bleiben aber bei Vegas. Wird Schmid vernünftig beraten, bleibt er mindestens ein weiteres Jahr in Nordamerika.
Für den SCB lohnt sich darum eher der Blick nach Lausanne. Dort dürfte Kevin Pasche wegen AHL-Rückkehrer Connor Hughes wieder ins zweite Glied rücken. Der Vertrag des letzte Saison überzeugenden 22-Jährigen läuft bis 2027, aber bei unzufriedenen Goalies findet sich meist eine Lösung – zumal der LHC mit Thibault Fatton ein weiteres Talent im Kader weiss.
Pasche/von Burg als SCB-Duo der Zukunft? Tönt verlockend.
In Bern ist also einiges im Gange in der Torhüterfrage. Man ist mit der ganzen Situation nicht wirklich happy, zudem wird ab 2026/27 ein neuer Goalietrainer gesucht – egal wer dann Headcoach ist. Immerhin gibt es auch gute News: Am prestigeträchtigen Hlinka-Cup hütete Berns Pascal Kunz das Tor der Schweizer U18-Auswahl.