unfall oder foul?

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gretzky99
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unfall oder foul?

Beitrag von gretzky99 » Do 7. Mär 2013, 08:28

sicher habt ihr mitbekommen, wie schlimm es den oltner keller erwischt hat. ich hab mir das video nur einmal angeschaut, das reichte mir und ging unter die haut. deshalb mag ich auch nicht schlüssig die "schuldfrage" beantworten. dafür ist der richter zuständig.

was mich mehr beschäftigt sind die nebengeräusche und die auswirkungen des vorfalls in der presse und welchen anteil vielleicht auch wir zuschauer an solchen ereignissen haben könnten.

gestern habe ich gekocht vor wut über dîe berichterstattung des blicks. sie haben das unglückliche ereignis in einen zusammenhang gebracht mit einer jugendlichen dummheit mit einer softair gun des langenthaler spielers vor beinahe 10 jahren: was hat das tragische ereignis auf dem eis damit zu tun?! warum stellte man zwischen diesen beiden vorkommnissen einen zusammenhang her? die blick-redaktion machte damit eine unsägliche vor-verurteilung, sie implizierte, dass so einer bestimmt schuldig sein müsse, und das foul mit krimineller absicht begangen habe... das ist journalistisch unterirdisch!

offenbar haben sie es jetzt selber gemerkt und kessler hat kreide gefressen. der kommentar heute früh kommt schon ganz anders daher. ob da von oben interveniert wurde? auch wurde die kritisierte passage von gestern klammheimlich entfernt...

dass solche dummdreisten zusammenhänge auf stammtischniveau, wie sie blick gestern brachte wirken, konnte man ja unter besagtem online-artikel im blick eindrücklich an den teilweise unterirdischen talkback-kommentaren lesen...

was kann der gewöhnliche eishockeyfan daraus lernen?
für mich ist das eine bestätigung dessen, was mich schon lange beschäftigt. ich fühle mich jeweils nicht sonderlich gut bei schlägereien oder überharten checks, wenn die menge tobt und johlt. die grenze zwischen "gesunder" härte und "gesundheitsgefährdend" ist oft fliessend. selbst wenn wir alle diesen sport gerade auch deshalb lieben, weil er sich eben von volleyball oder basketball genau dadurch unterscheidet, dass es körperlich hart zur sache geht, geht es zunehmend weltweit über die grenzen hinaus. damit meine ich nicht nur den vorfall in olten. es gibt beispielsweise zu viele hirnerschütterungen.
kürzlich habe ich die biografie von derekt boogard gelesen. seine tragische geschichte sollte allen eine lehre sein. er war wenig talentiert, schaffte es aber mit eisernem willen trotzdem in die nhl zu den minnesota wild. sein weg dahin war steinig. er wurde belächelt und gemobbt, weil er zwar körperlich durchaus eine nhl-postur hatte, aber die skills zu einer grossen karriere ihm fehlten. so wurde er halt ein goon, oder etwas nobler ausgedrückt ein "enforcer", der auschliesslich zur einschüchterung des gegners für checks aufs eis ging und um zu prügeln. die nhl-tore, die er während seiner karriere erzielt hat sind buchstäblich an einer hand abzuzählen. sein körper, insbesondere sein kopf musste schon im juniorenalter hunderte von harten schlägen aushalten. macht nichts, wozu gibt es schliesslich schmerzmittel... 2011 kriegte er sogar noch einen vertrag bei den new york rangers, obwohl er da eigentlich schon ein junkie war, der sich die scherzmittel wohl abwechslungsweise von allen neun ärzten der rangers verschreiben liess, damit es nicht auffiel, sich aber daneben auch noch wöchentlich bei einem dealer eindeckte. er starb in seiner wohnung an einer überdosis des starken schmerzmittels in kombination mit alkohol. sein tod hat die liga damals aufgewühlt.
eine wissenschafterin, die nicht wusste, um wen es sich handelt, hat boogards gehirn obduziert und sie war erschüttert, wie beschädigt es aussah: er litt mit 28 jahren schon an "boxerdemenz", einer abwandlung der alzheimer-krankheit, wie sie eben bei früheren boxern und footballspielern häufiger diagnostiziert wird.
der aufschrei und die trauer war gross. man solle endlich etwas tun in der nhl, allerdings ohne erfolg! prügeleien und checks hart an der grenze und darüber hinaus sind eben gut fürs geschäft, die meute will das sehen, bei uns auch. ausser lippenbekenntnissen hat sich im grunde nichts getan.

mir stockt immer der atem, wenn ich sehe wie gewisse spieler, auch von uns, anlauf zu einem check nehmen. geht es gut, sieht es spektakulär aus und ist effektiv und sonst war es halt pech...oder doch nicht?!
auch bei prügeleien gehöre ich nicht zu denen, die die gladiatoren auf dem eis wie bei den römern noch zusätzlich anfeuern. für mich muss das nicht sein, dass man auf diese weise das terrain markiert. oft kommt es mîr kindisch und sehr berechenbar vor. aber mir ist bewusst, dass ich damit im stadion zu einer kleinen minderheit gehöre. meine lieblingsspieler gehörten immer zu der sorte, die nicht die brachiale gewalt brauchen, um sich durchzusetzen. sie haben andere möglichkeiten um erfolgreich zu spielen.

Talisker
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Re: unfall oder foul?

Beitrag von Talisker » Do 7. Mär 2013, 08:57

Aus der BZ vom 7. März 2013:
"...Mit voller Wucht prallt Schnyder auf Keller, macht zudem mit dem rechten Arm und zu hoch geführtem Stock eine heftige Stossbewegung unter die linke Schulter Kellers und hebelt diesen so wuchtig aus. Der Oltner fliegt aus rund zwei Metern kopfüber in die Bande und bleibt liegen. Der 33-jährige Zürcher, vom HC Thurgau für die Playoffs an Olten ausgeliehen, wird erstversorgt, ins Inselspital und noch in der Nacht mit der Rega ins Paraplegikerzentrum nach Nottwil überführt.

Sven Leuenberger (SCB-Sportchef) zum Vorfall: «Ich sah mir die Szene mehrfach an. Es war ein Unfall, kein bösartiger Check. Beide sind mit grosser Geschwindigkeit unterwegs. Ronny Keller suchte als Erster den Körperkontakt, weil er das Tempo der Aktion drosseln wollte. Stefan Schnyder gab Gegendruck, was ganz normal ist. Plötzlich gab Kellers rechtes Bein nach. Vielleicht kam er mit der Kufe in eine Rille, vielleicht vermochte er dem Druck schlicht nicht standzuhalten – jedenfalls wurde er brutal in die Bande katapultiert. Obwohl Ronny Keller, der als cleverer Verteidiger gilt, vieles richtig machte, fand die Aktion ein schlimmes Ende. Trotzdem sollte man Stefan Schnyder nicht als Täter bezeichnen.»..."
***********************************************************************************

Ehrlich gesagt habe ich mit der Interpretation von S.L. etwas Mühe. Aus meiner Sicht wäre diese angebracht, wenn sich beide Spieler auf gleicher Höhe im Zweikampf um die Scheibe befunden hätten. Oder wenn beide Richtung Bande gefahren wären, und - ohne den "Brienzer" von Schnyder - Keller sich tatsächlich mit dem einen Schlittschuh in einer Eisrille verheddert hätte, und deswegen in die Bande gestürzt wäre. Auf dem Video ist hingegen tatsächlich zu erkennen, dass Schnyder den vor ihm fahrenden Keller mit einer kräftigen Bewegung richtiggehend von den Beinen und in die Bande "hebelt". Dies ist aus meiner Sicht nicht ein "Unfall" im landläufigen Sinne.

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Re: unfall oder foul?

Beitrag von Paul Coffey » Do 7. Mär 2013, 09:04

Kann S.L.s Aussage auch nicht nachvollziehen. Zuerst geht der rechte Arm mit Stock zum Körper dann der linke Arm und es erfolgt eine Stossbewegung. DIe BZ beschreibt das eigentlich ziemlich genau. Das ist meines Erachtens ein Crosscheck und kein Zusammenprall.
Die Folge ist natürlich äusserst unglücklich und Kellers Verhalten mit dem Verlangsamen (ist eine Behinderung) ist sicher nicht optimal. Aber so nahe an der Bande einen Crosscheck von hinten zu machen ist gemeingefährlich.

Duc
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Re: unfall oder foul?

Beitrag von Duc » Do 7. Mär 2013, 11:33

Der Check von Stefan Schnyder war übermotiviert und regelwidrig. Ein unnötiger Check mit üblen Folgen.

Stefan Schnyder wollte seinen Gegenspieler nicht verletzen. Der Ausgang der Aktion ist somit ein tragischer Unfall, der in einem Sport mit Helm und Schutzausrüstung passieren kann. Der Einzelrichter ist gefordert, die Aktion gemäss dem üblichen Prozedere abzuhandeln und zu bestrafen. Dabei geht es nicht um ein Exempel für die Empörungsgesellschaft, sondern um ein normales Verfahren bei einer Regelwidrigkeit mit Verletzungsfolge.

Bleibt zu hoffen, dass solche Unfälle nicht einreissen. Es ist ja oft so, dass lange nichts passiert und nach einem Vorfall beginnen sich die Dinge plötzlich zu wiederholen.

Trotzdem sollte man sich, gerade in Bezug auf die vielen Hirnerschütterungen, gewisse Gedanken machen. Dabei ist es aus meiner Sicht wenig hilfreich, die ewige Platte mit der NHL aufzulegen. Der Vorfall hat sich in der Schweizer NL B ereignet. Mit Spielern mit weniger Begabung und auf einem anderen Eisfeld, auf dem eine andere Dynamik herrscht.

Niemand würde das Gurnigelrennen mit dem Formel 1 GP von Monaco vergleichen wollen.

Auch die NL A ist nur bedingt mit der NHL vergleichbar. In der NHL spielen die begabtesten Spieler der Welt. Jeder ist körperlich und taktisch auf einem höheren Niveau. In unserer Liga spielen auch Spieler mit, die eigentlich vom Körper her noch nicht für Männersport bereit sind. Hochbegabte Leichtgewichte wie der 16 jährige Bieler Nikolaj Ehlers zum Beispiel.

Und auch in der NHL haben sie die Probleme mit den Hirnerschütterungen. Selbst Starspieler wie Jewgeni Malkin, von dem nun wirklich niemand sagen würde, er sei ein ungeschickter Tölpel, ist davon betroffen.

Man muss sich fragen, ob es das ist was wir wollen, wenn schwere Verletzungen wie Gehirnerschütterungen gewissermassen zu einer Hockeykarriere dazugehören wie Bänderrisse und Knochenbrüche. In der Formel 1 hat man es zum Beispiel geschafft, dass der Tod nicht mehr Bestandteil des Zirkus ist, was nicht heissen soll, dass es nicht irgendwann wieder passieren kann.
Stark ist, wer sich selbst beherrscht, reich, wer mit wenigem zufrieden ist.

JimmyP
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Re: unfall oder foul?

Beitrag von JimmyP » Do 7. Mär 2013, 11:49

Das Paraplegikerzentrum hat vorhin eine Medienmitteilung veröffentlicht:

"MEDIENINFORMATION
Schwere Unfallfolgen für Ronny Keller
Nottwil, 7. März 2013 – Der während des Eishockey-Playoff-Halbfinals von Dienstag 5. März 2013 verletzte Ver-teidiger des EHC Olten, Ronny Keller, ist noch in der Nacht auf Mittwoch von Spezialärzten im Schweizer Pa-raplegiker-Zentrum Nottwil operiert worden.
Keller liegt zurzeit auf der Intensivstation. Er ist wach, gut ansprechbar und über die Folgen des Unfalls orien-tiert. Michael Baumberger, Chefarzt Klinik des SPZ, bestätigt: «Folge der schweren Verletzung des vierten Brustwirbels von Ronny Keller wird eine bleibende Querschnittlähmung sein. Es liegen weder Kopf- noch Hirn-verletzungen vor.» Ronny Keller wird die Intensivstation voraussichtlich in den nächsten Tagen verlassen kön-nen. Der aktuelle Behandlungsverlauf entspricht den Erwartungen der Ärzte.
Patient und Familie werden die Öffentlichkeit orientieren, sobald neue Erkenntnisse vorliegen."

Alles Gute Ronny!!!

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Re: unfall oder foul?

Beitrag von hitcher » Do 7. Mär 2013, 13:14

Ich habe mir die Scene gerade auf Youtube angeschaut....Sorry Schnyder bremst ab, wartet den Zeitpunkt ab und befördert den Spieler in die Bande....hätten beide durchgezogen wären auch beide schön in die Bande geprallt....

er könnte auch tot sein bei dieser Wucht :(


Alles Gute Ronny Keller

Manu84
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Re: unfall oder foul?

Beitrag von Manu84 » Do 7. Mär 2013, 13:15

Tragische Geschichte, einfach schlimm!
Gibt's heute Abend eine Fan-Aktion für Ronny Keller? Banner?

JohnvanBoxmeister
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Re: unfall oder foul?

Beitrag von JohnvanBoxmeister » Do 7. Mär 2013, 13:55

Für mich ist es mehr ein Unfall.

Keller bremst früh ab um Schnyder ein wenig zu blocken (sieht man immer wieder). Allerdings kommt dieser so schnell angefahren, dass es ihn regelrecht "wegspickt". Weiss nicht, ob er nicht gut auf den Beinen gestanden ist, denn er fliegt ja regelrecht davon.

Aber ist eigentlich (vorest) auch ziemlich egal wer nun wieviel Schuld daran trägt, momentan sollten die Gedanken bei Ronny sein. Alles Gute und viel Kraft. Auch an seine Familie.
Absolut tragisch, was passiert ist.

Egal
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Re: unfall oder foul?

Beitrag von Egal » Sa 9. Mär 2013, 13:23

Nachdem ich die Szene nun doch ein paar Mal im Internet angesehen habe, habe ich mir meine Meinung gebildet. In der heutigen Gesellschaft suchen wir ja auch immer nach einem Schuldigen, in diesem Fall nicht wohl auch zuletzt - ob dies nun "krank" ist oder nicht - damit geregelt ist wer für die Folgekosten aufkommen muss ...

Ich werde meine persönliche Meinung, ob dies aus meiner Sicht nun ein Unfall oder ein Foul war, hier nicht kundtun, möchte aber folgende Gedanken meinerseits niederschreiben:

Weder Keller noch Schnyder bringt die Klärung der Schuldfrage etwas. Keller wird - egal wie z.B. das "Resultat" des von Steinmann eingeforderten Gutachtens ausfällt - querschnittgelähmt bleiben. Ich hoffe Keller kann in Zukunft die "Vergangenheit" so gut wie möglich ausblenden und vorwärts schauen und die neue Lebenssituation akzeptieren und meistern. Bin mir sicher auch er wird seine Tiefs haben, aber öfters sagt man ja, dass gerade ehemalige Profisportler - und ich hoffe es für ihn - einen Vorteil in diesem Bereich haben. Ich wünsche ihm auf jedenfall alles Gute und viel Kraft für die Zukunft!

Auch Schnyder wird für sein Leben lang "gezeichnet" bleiben und hart an diesem Vorfall zu kämpfen haben, vorallem wenn man ja noch bedenkt, dass die beiden Spieler befreundet waren. Zwar hat Schnyder nun keine "körperlichen" Einschränkungen, aber die psychologischen Folgen werden genug hart sein, die Frage nach dem "warum" wird wohl in beiden Köpfen immer wieder ein Thema sein.

Ich wünsche beiden Spielern viel Kraft und nur das Beste für die Zukunft!

Sportliche Grüsse

Dan14

Re: unfall oder foul?

Beitrag von Dan14 » Sa 9. Mär 2013, 22:51

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Zuletzt geändert von Dan14 am Sa 9. Mär 2013, 22:59, insgesamt 2-mal geändert.

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