Amerikanisches Profisportsystem

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pancho
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Amerikanisches Profisportsystem

Beitrag von pancho » So 4. Jan 2015, 22:21

Lieber ThomasRoost (diese Anrede bei Forendiskussionen finde ich zwar etwas seltsam, aber wenn es Dir wichtig ist;))
Ich halte es für heikel zu versuchen die NHL 1:1 auf die Schweiz zu übertragen. Ich bin überzeugt, dass dies so nicht umsetzbar ist. Wie schon in meinen andere Beiträgen ausgeführt, kann doch so ein Draftsystem hier nicht funktionieren? In der NHL sind ja die Ausbildungsclubs eigentlich nicht die NHL Teams selber? Wie soll das dann genau gehen, dass die SCB-Junioren in den SCB-Future Teams dann plötzlich in einen Topf kommen, wo sich dann die Schwanzclubs bedienen können. Und evtl. wandert der Spieler dann aber auch gleich nach Nordamerika ab? Das Draft-System funktioniert doch nur in besten Liga der Welt. Das ist doch kein Sklavenmarkt wo die Teams ohne Einwilligung des Spielers einfach über diesen verfügen können?
Ähnlich skeptisch bin ich beim salary cap. Auch hier sind die Voraussetzungen komplett anders. Die europäischen Ligen besitzen keine Monopol-Stellung wie die NHL und die Mobilität der Spieler ist relativ hoch. Das heisst, die guten Spieler spielen dann einfach in DE, AU oder in der KHL. Zudem bin ich mir auch nicht sicher, ob das rechtlich so überhaupt durchsetzbar ist bzw. müssten die Spieler dem irgendwie zustimmen. Und warum sollten sie das tun? In der NHL sind die Spielergewerkschaften dann doch auch sehr stark, wobei in der Schweiz Streik eigentlich verboten ist. Auf jeden Fall sind die rechtlichen Voraussetzungen bestimmt anders. Ein weiterer Unterschied ist das Schweizer Steuersystem, welches zumindest administrativ das ganze ziemlich verkompliziert. Denn in der Schweiz müsste ein Cap auf dem Netto-Lohn (also abzgl. Steuern beruhen), da sonst z.B der EVZ einen deutlichen Standort-Vorteil hätte. Das heisst die Caps müssten dann bei Wohnortwechsel ständig neu berechnet werden.
Wenn überhaupt, dann müsste eine europäische Liga gegründet werden, wo dann einfach so gerade mal die Topclubs der Schweiz dabei wären. Ob das im Interesse des kleinen Fans eines traditionellen CH-Vereins ist sei mal dahingestellt.
Zudem sind hier dann die unterschiedlichen Rechtssysteme und Steuersysteme, die das ganze nicht gerade vereinfachen. Die USA ist ein riesiges Land mit weitgehend gleichen Rechten und gleichen Steuern. Ich weiss nicht, ob es europäisch rechtlich überhaupt möglich wäre durch die Spieler einen Gesamtarbeitsvertrag auszuhandeln, der dann in einzelnen europäischen Ländern so seine Gültigkeit hat?

ThomasRoost
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Re: Amerikanisches Profisportsystem

Beitrag von ThomasRoost » So 4. Jan 2015, 23:18

Lieber Pancho
Deine Anrede ist mir nicht wichtig!
Alle Deine Argumente die gegen das NA-System sprechen stechen aktuell noch. Rechtlich ist dies bei uns nicht durchsetzbar... ausser bei einem Gentlemen-Agreement. Ich bin überzeugt, dass wenn die Einsicht reift und mehrheitsfähig wird, dann wird sich ein Weg finden wie man ein solches System auf Schweizer Verhältnisse übertragen kann. Ich gehe davon aus, dass dieser Reifeprozess noch zwei Generationen benötigt. Vielleicht lesen meine Urenkel irgendwann meinen entsprechenden Blog ;-) :-) . Aktuell sehe ich im Detail immer mehr Tendenzen die in diese Richtung laufen. Noch vor 10 Jahren wären Moves und Deals wie sie McSorley praktiziert (Ausleihe Ranger, Abschiebung Simek und vor allem Trade Loeffel/Kamerzin und "Verkauf" von Romy etc. nicht denkbar gewesen. Nach gültigem Arbeitsrecht sind sie im Klagefall auch nicht durchsetzbar... und doch finden sie statt und.... es funktioniert irgendwie... Auch sonst finden nordamerikanische Elemente nach Jahren den Weg zu unserer Hockeykultur. Zusammenfassend stelle ich eine schleichende Annäherung fest. Auch die KHL versucht die NHL zu kopieren und all dies hat seine Gründe: Einer der Gründe ist: Die USA ist eine Sportnation mit unglaublicher Sporttradition, -kultur und -leidenschaft. Die kapitalistische USA hat erstaunliche Systeme entwickelt im Profisport die nur darum Einzug halten konnten weil die Einsicht gereift ist, dass dies letztlich allen Beteiligten (Investoren, Zuschauern, Sportlern etc.) zugute kommt... und es funktioniert im Vergleich zu unseren Systemen auch wirtschaftlich eher besser und stabiler. Zudem ist es sportlich schlicht und einfach wesentlich interessanter. Es ist doch langweilig, dass immer der FC Basel, Bayern München, Barca und Real plus die englischen Teams mit Oligarchen oder Oelscheichs vorne stehen weil ihr wirtschaftliches Potenzial wesentlich höher ist als dasjenige der Konkurrenz. In der Schweiz ist der SCB das Bayern München des Hockeys, der SCB hat es aus eigener Kraft und wirtschaftlich einigermassen solide abgestützt geschafft, diese wirtschaftliche Dominanz zu erreichen. Grosser Respekt hierfür... aber sportlich hat der SCB nur die ZSC-Lions (Millionen-Mäzen), Lugano (Millionen-Mäzen) und kurzfristig Kloten (Millionen-Mäzen) als Konkurrenten. Es ist aus meiner Sicht eher langweilig, dass Nationalspieler - mit wenigen Ausnahmen - nur in Bern, Lugano oder Zürich unterschreiben wenn sie auf den Markt kommen. Die anderen haben gar keine Chance. Aus Sicht des SCB und aus Sicht der SCB-Fans ist dies vermutlich nicht so... das verstehe ich schon... aber ich versuche diese Dinge immer aus der Vogelperspektive zu betrachten und bin überzeugt, dass von einem Draft-, Trade- und Salary-Cap-System langfristig alle profitieren würden. Wie gesagt, ich habe diese Diskussion nicht angestossen weil ich dies kurzfristig als realistisch betrachte. Zwei Generationen später diskutieren wir dann wieder über dieses Thema. Kurzfristig schmunzle ich ganz einfach, wenn wieder mal ein Detail mehr aus der NHL bei uns implementiert wird. Hier was und dort was und irgendwann sind wir dann fast gleich... weil... die NHL ist uns meiner Meinung nach im Denken und Handeln betr. den Profi-Mannschaftssport ganz einfach einige Jahrzehnte voraus.
pancho hat geschrieben:
> Lieber ThomasRoost (diese Anrede bei Forendiskussionen finde ich zwar etwas
> seltsam, aber wenn es Dir wichtig ist;))
> Ich halte es für heikel zu versuchen die NHL 1:1 auf die Schweiz zu
> übertragen. Ich bin überzeugt, dass dies so nicht umsetzbar ist. Wie schon
> in meinen andere Beiträgen ausgeführt, kann doch so ein Draftsystem hier
> nicht funktionieren? In der NHL sind ja die Ausbildungsclubs eigentlich
> nicht die NHL Teams selber? Wie soll das dann genau gehen, dass die
> SCB-Junioren in den SCB-Future Teams dann plötzlich in einen Topf kommen,
> wo sich dann die Schwanzclubs bedienen können. Und evtl. wandert der
> Spieler dann aber auch gleich nach Nordamerika ab? Das Draft-System
> funktioniert doch nur in besten Liga der Welt. Das ist doch kein
> Sklavenmarkt wo die Teams ohne Einwilligung des Spielers einfach über
> diesen verfügen können?
> Ähnlich skeptisch bin ich beim salary cap. Auch hier sind die
> Voraussetzungen komplett anders. Die europäischen Ligen besitzen keine
> Monopol-Stellung wie die NHL und die Mobilität der Spieler ist relativ
> hoch. Das heisst, die guten Spieler spielen dann einfach in DE, AU oder in
> der KHL. Zudem bin ich mir auch nicht sicher, ob das rechtlich so überhaupt
> durchsetzbar ist bzw. müssten die Spieler dem irgendwie zustimmen. Und
> warum sollten sie das tun? In der NHL sind die Spielergewerkschaften dann
> doch auch sehr stark, wobei in der Schweiz Streik eigentlich verboten ist.
> Auf jeden Fall sind die rechtlichen Voraussetzungen bestimmt anders. Ein
> weiterer Unterschied ist das Schweizer Steuersystem, welches zumindest
> administrativ das ganze ziemlich verkompliziert. Denn in der Schweiz müsste
> ein Cap auf dem Netto-Lohn (also abzgl. Steuern beruhen), da sonst z.B der
> EVZ einen deutlichen Standort-Vorteil hätte. Das heisst die Caps müssten
> dann bei Wohnortwechsel ständig neu berechnet werden.
> Wenn überhaupt, dann müsste eine europäische Liga gegründet werden, wo dann
> einfach so gerade mal die Topclubs der Schweiz dabei wären. Ob das im
> Interesse des kleinen Fans eines traditionellen CH-Vereins ist sei mal
> dahingestellt.
> Zudem sind hier dann die unterschiedlichen Rechtssysteme und Steuersysteme,
> die das ganze nicht gerade vereinfachen. Die USA ist ein riesiges Land mit
> weitgehend gleichen Rechten und gleichen Steuern. Ich weiss nicht, ob es
> europäisch rechtlich überhaupt möglich wäre durch die Spieler einen
> Gesamtarbeitsvertrag auszuhandeln, der dann in einzelnen europäischen
> Ländern so seine Gültigkeit hat?

pancho
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Re: Amerikanisches Profisportsystem

Beitrag von pancho » Mo 5. Jan 2015, 01:11

Zuerst eine kleine Anmerkung zur Ausgeglichenheit der Liga. Wie kommst Du eigentlich zu der Aussage, dass man behauptet die Liga sei ausgeglichener wie andere Ligen? ich habe es eher so aufgefasst, dass es viel ausgeglichener ist wie früher. Indizien dafür sind, dass der Schweizer Meister plötzlich eine Saison später in der Abstiegsrund wiederzufinden ist und das gleiche Schicksal evtl. dem Finalisten vom letzten Jahr passiert, sowie auch dem zweiten der letztjährigen 2. der Quali droht.

Nun es scheint mir, dass Deine Begründung lediglich auf etwas Hockey-Romantik-Utopien (ach kopieren wir doch einfach die NHL, die ist so toll) beruht, ich wünschte mir da etwas mehr Facts&figures. Die Behauptung, dass Nationalspieler nur in Bern, Zürich und Lugano unterschreiben ist einfach falsch bzw hast Du Dir diese Begründung etwas zurecht gebogen mit dem Vermerk "mit wenigen Ausnahmen" und "auf den Markt kommen" (wobei ich hier impliziere, dass Du einen Nationalspieler nicht als auf dem Mark betrachtest, wenn er seinen Vertrag im alten Verein verlängert). Zudem halte ich nicht viel von der Mär von den Superreichen im Schweizer Eishockey. Ich behaupte mal, dass die Unterschiede zwischen reichen und armen Clubs in der Schweiz gegenüber der NHL nicht grösser sind. Wenn Du verlässliche Zahlen dazu hast, die dies widerlegen, dann nehme ich diese Aussage gerne zurück. Es klingt so als würden ZSC/SCB/HCL doppelt so hohe Löhne bezahlen wie alle anderen. Dabei bin ich mir ziemlich sicher,dass Zug/Fribourg/Davos/Kloten/Genf nicht wirklich viel tiefere Löhne bezahlen. In der NHL ist es ja dann auch so, dass sich die reichen Clubs dann leisten können langfristige hochdotierte Verträge zu unterbreiten und der salary cap zum floor Unterschied trügt. Du musst Dich nicht selber belügen und Dir einreden, dass in der NHL fast alle Teams die gleiche langen Spiesse bei den Vertragsverhandlungen haben.

Ich finde es auch eigenartig, dass Du das Gefühl hast, der Sport in der Schweiz könne das Rechtssystem beinflussen. Vielmehr ist es doch so, dass es umgekehrt ist. Die Voraussetzungen für den Profisport in den USA waren einfach anders. Auch ist es so, dass es natürlich viel einfacher ist im Mutterland des Kapitalismus, diesen dem Sport einfach überzustülpen. Die USA hat eine andere Sporttradition bzw. Leistungskultur. Die Schweiz (als Staat nicht private) setzt vor allem auf Breitensport und nicht auf Spitzensport, da der Spitzensport per se nicht wirklich was gutes ist, Breitensport schon. Es ist ein komplett anderer Ansatz, wozu der Sport eigentlich da sein soll und ich finde es falsch, das Modell Schweiz jetzt abzuwerten, weil es nicht auf Anzahl Goldmedallien an Olympischen Spielen setzt und a la China irgendwelche Superathleten züchtet, sondern den Sport für die allgemeine Bevölkerung fördert.

Ein Vergleich mit der riesigen NHL ist doch sowieso etwas absurd: USA und Kanda zusammen haben wohl ca.1 Mio lizenzierte Spieler gegenüber ca. 25'000 der Schweiz (weiss nicht ob die Zahlen jetzt genau so stimmen, aber so ungefähr), also das 40-fache! Ähnlich verhalten sich wohl die Einwohnerzahlen, das BIP von Kanada und USA zusammen wohl etwa das 30 fache der Schweiz. Anzahl Mannschaften in der NHL: 30, in der NLA 12. Fällt Dir etwas auf? Man könnte doch genauso gut sagen, man soll die Liga auf 6 Teams verkürzen, dann wäre sie super ausgeglichen.

Und wie das Draft-System dann genau aussehen bzw. funktionieren würde, wüsste ich jetzt schon gerne mal. Einfach zu sagen "Draftsystem einführen" ist mir etwas zu unkonkret. Die NHL draften doch irgendwelche Schweizer Spieler. Was interessiert es dann den Schweizer Spieler, ob er vom EHC Biel gedraftet worden ist? Ich verstehe jetzt wirklich beim besten Willen nicht wie das genau funktionieren soll?

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